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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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schoss so haarscharf an Lankaus Gesicht vorbei, dass das Mündungsfeuer ihm die Augenbraue über dem gesunden Auge versengte. Entsetzt glotzte Lankau Bryan an, wandte dann den Kopf zur Seite und versuchte, das kleine Loch zu begreifen, das nur zwei Zentimeter von seinem Wangenknochen entfernt die Rückenlehne des Stuhls verschandelte.
    »Wenn du mir nicht erzählst, was passiert ist, ziele ich beim nächsten Mal exakter!«, drohte Bryan und richtete die Pistole erneut auf seinen Widersacher. »Ich weiß, dass Kröner auchin Freiburg ist. Ich weiß, wo er wohnt. Ich habe mit seiner Stieftochter Mariann gesprochen. Ich habe ihn zusammen mit seiner neuen Frau und seinem kleinen Sohn gesehen. Ich kenne seine Routen in der Stadt. Wenn du mir nicht erzählst, was ich wissen will, wird er es tun!«
    Statt Bryan anzusehen, sank Lankau ein Stück weit in sich zusammen. Die Erkenntnis, dass Bryan gut über Kröner Bescheid wusste, schien ihn mehr zu erschüttern als der Schuss. Dann fing er sich wieder und hob den Kopf.
     
    Lankau ließ den Blick von dem braungrünen Plakat an der Wand gegenüber zu Küche und Eingang schweifen. »Cordillera de la Paz«, stand in orangefarbenen Lettern unter der öden Landschaft auf dem Plakat, was diese nur noch gottverlassener aussehen ließ. Dann heftete Lankau den Blick auf den Mann ihm gegenüber.
    Er war ihm ein Rätsel. Er hatte die Hände übereinandergelegt, die Kenju ließ er mit der Sicherung nach unten auf der anderen Hand ruhen. Er rührte sich nicht. Lankau betete, dass es dabei bleiben würde.
    Im Moment sah es für ihn ziemlich hoffnungslos aus. Lankau kniff die Augen zusammen. In seinen gefesselten Unterarmen pochte es.
    Wenn dieser offenbar nur Englisch sprechende Mann die Wahrheit sagte, konnte er über Peter Stich, seine Rolle und den ganzen Hintergrund tatsächlich nichts wissen. Und das war gut so.
    Sollte sich die Situation doch noch mal zu ihrem Vorteil entwickeln, würde Peter Stich ihm womöglich helfen müssen. Und Stich wäre Arno von der Leyen trotz seines hohen Alters ein ebenbürtiger Gegner.
    Zu den wichtigsten Regeln eines jeden Spiels gehörte es, Zeit zu gewinnen. Arno von der Leyen würde seine Geschichte bekommen.
    Eine weitere Grundregel besagte, bis man die Schwäche des Gegners kennt, muss man ihn sich vom Leib halten. Soweit war Lankau noch nicht. Häufig lag die größte Schwäche eines Menschen im Motiv seiner Handlungen verborgen. Nur   – wo sollte Lankau suchen? War Arno von der Leyen geldgierig oder rachsüchtig? Das würde sich noch zeigen.
    Die dritte und wichtigste aller Regeln war jedoch, Qualität und Quantität der eigenen Waffen so lange wie irgend möglich geheim zu halten. Und genau darum musste er Peter Stichs Identität und Rolle aus seinem Bericht heraushalten.
    Vielleicht hatte Arno von der Leyen während der langen Nächte im Krankenhaus vom Postboten gehört. Doch dass Peter Stich und der Postbote ein und dieselbe Person waren, konnte Arno von der Leyen nicht wissen, weil er nicht im Raum, sondern bei einer Schockbehandlung gewesen war, als der Postbote sich zu erkennen gegeben hatte. Daran konnte Lankau sich noch gut erinnern.
    Wenn er sich nur peinlich genau an diese drei Regeln hielt, konnte er seine Geschichte erzählen. Lankau schürzte die Lippen und sah seinen Widersacher lange an. Als dem die Stille zu lang wurde, beugte er sich über Lankau.
    »Du könntest beim Rhein anfangen«, sagte er und versuchte, den Blick in Lankaus Augen zu intensivieren, als sei zwischen ihnen eine Art von Vertraulichkeit entstanden. »Da dachte ich nämlich, dass es mit dir vorbei wäre.« Von der Leyen nickte auffordernd. »Erzähl mir, was danach passiert ist.«
    Lankau richtete sich auf, so gut er konnte. Zum ersten Mal nahm er seinen Gegner ganz genau in Augenschein. Er war nicht mehr so sehnig wie damals. Sein Körper war erschlafft. Wäre Lankau nicht gefesselt, könnte er ihn im Handumdrehen überwältigen. Lankau probierte noch einmal, wie stabil die Schnur war, indem er vorsichtig die Fingerknöchel auf die Armlehne presste. »Was danach passiert ist? Tja, was ist passiert?« Von der Leyen rutschte näher zu ihm heran undnickte noch einmal. »Also, zunächst einmal hatte ich ein Loch in der Brust und ein Auge verloren.« Sein Gegenüber reagierte nicht. Noch einmal presste Lankau die Knöchel auf die Armlehne. »Du hattest mich in eine ganz beschissene Situation gebracht, du Schwein. In dem Zustand konnte ich nicht ins Alphabethaus

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