Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus
finster an. Er hielt noch immer das Messer in der Hand, doch er benutzte es nicht: Seine kleine Wunde über der Nasenwurzel war einfach zu tief.
Bryan empfand einen stechenden Schmerz in der Seite und sah an sich herunter. Lankau hatte ihn unter der dritten Rippe erwischt. Hätte er die Klinge nur drei Zentimeter tiefer hineingestoßen, hätte sie die Lunge punktiert, fünf Zentimeter, und er wäre jetzt tot.
Er blutete nicht besonders stark, aber der linke Arm war wie gelähmt.
Kaum wurde ihm das klar, robbte Lankau bereits auf ihn zu. Bryan streckte die Hand zur Seite aus und fand noch ein Stück Holz wie das, welches er eben geworfen hatte. Bei Lankaus nächster Vorwärtsbewegung schleuderte er es auf dessen Arm, und sowohl Holzscheit als auch Messer flogen zur Seite.
»Du Schwein!«, brüllte Lankau und hievte den schweren Körper auf ein Knie. Schwer atmend sahen sie sich an. Zwischen ihnen lagen nur zwei Meter.
»Das Ding findest du nie!«, knurrte Lankau, der Bryans suchenden Blick bemerkt hatte. Bryan ließ den Blick nur noch schneller schweifen. Weder das Messer noch die Kenju konnten weit weg sein. Als er das Feuerzeug bemerkte, das er zweiMonate zuvor seiner Frau geschenkt hatte, versteifte er sich. In mehreren kleinen Haufen lag der Inhalt ihrer Handtasche auf dem Fußboden verteilt. Bryan wandte den Kopf, bis er die Füße einer an einen Stuhl gefesselten Person entdeckte. Im selben Moment wusste er, was ihm so bekannt vorgekommen war: Laureens Parfum. Der Schock fuhr ihm in die Glieder.
Geknebelt und gefesselt, kreidebleich und mit verschleiertem Blick saß sie da.
Nur einen kurzen Moment war Bryan bei diesem schockierenden Anblick unaufmerksam, und schon hatte sich Lankau wieder auf ihn gestürzt. Er wirkte, als sei sein ganzes Wesen davon erfüllt, einem anderen Menschen Schmerzen zuzufügen. Fieberhaft versuchte Bryan, sich dieses Kolosses zu erwehren, die Wunde in der Seite schmerzte höllisch, und sein linker Arm war nicht zu gebrauchen.
Gerade als Bryan glaubte, wieder die Oberhand gewonnen zu haben, stieß Lankau ihn weg. Da saßen sie nun: ein alter Mann, der es im Töten von Menschen zur Perfektion gebracht hatte, und ein Arzt mittleren Alters, der gelernt hatte, dass man sich einzig und allein auf sein Glück verlassen musste. Beide hielten sie Ausschau nach einer Waffe.
Lankau fand als Erster, was er gesucht hatte. Alles ging so schnell, dass Bryan nicht einmal sah, wie Lankau sein Geschütz packte. Die Anrichte kippte um, die obere Kante landete direkt auf Bryans Schlüsselbein und schnürte ihm die Luft ab. Im selben Moment stürzte sich Lankau auf ihn, als seien ihm Flügel gewachsen.
Eine Faust rammte er Bryan in die Magengrube, den anderen Arm legte er ihm so fest um den Hals, dass es Bryan leicht das Genick hätte brechen können. Der Kloß in seinem Hals wuchs und wuchs. Dann stand Lankau auf und schleuderte den schwer atmenden Bryan gegen die Wand mit den Bockgeweihen. Eine der Trophäen hing in Brusthöhe. Die kleinen, scharfen Spitzen rissen Bryans Jacke auf.
Laureen schrie und Bryan sah instinktiv in ihre Richtung. In dem Moment warf sich Lankau mit seinem gesamten Gewicht auf Bryan. Eine der Geweihspitzen bohrte sich direkt neben der Wirbelsäule in Bryans Rücken. Sein Schmerzensschrei trieb Lankau nur noch mehr an.
Bryan riss die Arme hoch und griff nach einem Geweih. Mit aller Kraft riss Bryan es von der Wand und briet es Lankau über. Der bäumte sich auf und brüllte vor Schmerz, weil sich ihm eine Geweihspitze fest in den Nacken gebohrt hatte. Er taumelte ein paar Schritte rückwärts, und während er sich so auf Laureen zubewegte, begriff Bryan, dass Lankau noch einen Trumpf in der Hand hatte.
Noch bevor Bryan reagieren konnte, stand Lankau bereits hinter Laureen und legte seinen Arm um ihren Hals. Ein einziger kräftiger Ruck würde genügen, um ihr das Genick zu brechen.
Schwer atmend versuchte Lankau, sich mit der linken Hand das Geweih aus dem Nacken zu ziehen, dabei ließ er Bryan nicht aus den Augen. Bryan stieß sich von der Wand ab.
»Du bleibst, wo du bist!«, schrie Lankau. »Eine falsche Bewegung, und ich breche ihr den Hals!«
Bryan wusste, dass es sich nicht um eine leere Drohung handelte.
»Hol die Schnur da drüben.«
Bryan spürte, wie ihm das Blut aus den Wunden lief, und konnte nur hoffen, dass er nicht verbluten würde.
»Und jetzt möchtest du wahrscheinlich, dass ich mich selbst fessele, ja?«
»Zuerst die Füße, du
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