Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus
Schlauberger!«
Mühsam bückte sich Bryan. »Dir ist schon klar, dass du nicht ungeschoren davonkommen wirst?«
»Und wer sollte wohl dafür sorgen?«
»Man weiß, dass ich hier draußen bin!«
Spöttisch sah Lankau ihn an. »Ach, weiß man das? Wirklich?Steht da draußen am Ortsrand von Münstertal vielleicht eine ganze Kavallerie bereit?« Er lachte. »Und genau in diesem Moment hat bereits ein Scharfschütze auf mich angelegt? Köstlich, wirklich köstlich!«
»Ich habe dem Portier in meinem Hotel gesagt, wo ich heute Abend sein werde.«
»Ach, ja?« Höhnisch sah Lankau ihn an. »Na, dann vielen Dank für die Information, Herr von der Leyen. Da müssen wir uns eben eine gute Erklärung für deinen Abgang einfallen lassen. Aber das sollte uns nicht allzu schwerfallen, schätze ich.«
»Mein Name ist nicht von der Leyen, ist das so schwer zu begreifen?«
»Am besten, du fesselst dir jetzt endlich die Füße und quatschst keine Opern!«
»Du weißt, dass sie meine Frau ist, stimmt’s?«
»Aber ja! Und dass sie taub ist zum Beispiel auch. Und stumm! Und ich weiß, dass sie Laura genannt wird, in Wirklichkeit aber Laureen heißt, und dass sie zwar aus Freiburg stammt, es aber vorzieht, in Canterbury zu wohnen. Und du wohnst wohl ganz zufällig auch in Canterbury, ja?«
»Ich habe mein ganzes Leben in Canterbury gelebt. Bis auf ein paar Monate während des Krieges, und du weißt verdammt genau, wo ich da war!«
»Ach, und jetzt wolltet ihr beiden Turteltauben mal einen kleinen Ausflug hierher machen. Wirklich reizend!« Sein Lächeln erstarb und er holte tief Luft. »Bist du endlich fertig mit deinen Füßen?«
»Ja.«
»Dann steh auf, nimm den Rest von der Schnur und hüpf zum Tisch rüber. Ich will sehen, ob es fest genug ist. Und nimm die Hände auf den Rücken.«
Lankau zog an dem Strick und war zufrieden. Seine Atmung beruhigte sich nur langsam. »Und jetzt beugst du dich über den Tisch, verstanden?« Bryan legte die Wange auf die Tischplatte.Unvermittelt riss Lankau Bryans linken Arm so heftig hoch, dass Bryan Tränen in die Augen traten.
»Du rührst dich nicht von der Stelle!«, warnte Lankau ihn. »Ich brech dir den Arm, wenn du auch nur die geringste Bewegung machst!«
Dann wickelte er die Schnur um Bryans rechtes Handgelenk und von dort um den Daumen. Anschließend führte er die Schnur durch Bryans Gürtel und zog daran. Bryan schrie auf, als seine Hand hinter dem Rücken festgebunden wurde.
»Ihr seid mir vielleicht ein Paar!«, rief Lankau dann und drehte Bryan auf den Rücken. Bryan biss die Zähne zusammen vor Schmerz. »Ihr seid ja fast wie Peter und Andrea! Richtig süß! So umgänglich, freundlich und liebenswürdig!« Er lachte. »Kennst du die beiden?«
»Stich ist tot«, sagte Bryan tonlos, als sein linker Arm auf die gleiche Weise gefesselt wurde wie sein rechter, nur auf dem Bauch.
Lankau hielt inne. Er sah aus, als überlegte er, zuzuschlagen. »Ach ja? Noch so eine Geschichte, ts, ts, ts. Willst du mich für dumm verkaufen?«
»Er ist tot. Ich habe ihn und eine Frau vor gut einer Stunde in der Wohnung in der Luisenstraße gefunden. Sie waren noch warm.« Bryan kniff die Augen zusammen, als Lankau die Hand erhob. Der Schlag traf ihn mit ungezügelter Wucht. Der Breitgesichtige schleifte Bryan zu Laureen und ließ ihn zu ihren Füßen auf den Boden fallen.
»Jetzt lasst euch mal zusammen anschauen.« Er fasste sich in den Nacken, rieb sich kurz darüber und entfernte dann den Knebel aus Laureens Mund.
Noch bevor er sich den Lappen auf seine blutende Wunde im Nacken gedrückt hatte, fing die Frau an zu schluchzen.
»Bryan! Bryan, bitte verzeih mir!« Es kostete sie Mühe, zu sprechen. Mit Tränen in den Augen sah sie ihren Mann an. »Es tut mir so leid, Bryan!«
»Hab ich es nicht gesagt?« Lankaus Gelächter ging in einen Hustenanfall über. »Dafür, dass sie eine taubstumme Deutsche ist, spricht sie verdammt gut Englisch.« Schwer atmend setzte er sich in die hinterste Ecke des Raumes und lauschte ihrer sanften, verzweifelten Stimme.
Bryan neigte den Kopf zur Seite und versuchte, Laureens Knie mit seiner Wange zu streicheln. Sie versuchte, die Zärtlichkeit zu erwidern, flüsterte und bat um Verzeihung. Die Atmung des Kolosses war jetzt kaum noch zu hören. Die Ruhe vor dem Sturm, dachte Bryan und nickte Laureen zu. Laureen war so ungewöhnlich zahm und ruhig, dass auch sie sich ihrer fatalen Lage bewusst sein musste.
Gleich würde Schluss sein.
»So, das reicht,
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