Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus
meine Lieben!«, rief Lankau schließlich und klatschte im Aufstehen in die Hände.
Bryan drehte sich zu ihm um. Seine Augen waren genauso feucht wie die seiner Frau, die es kaum wagte, aufzusehen. »Es ist noch nicht zu spät, Lankau. Du kannst immer noch vermeiden, einen großen Fehler zu machen«, sagte Bryan. »Meine Frau und ich interessieren uns einen Dreck für euch. Ich will einfach nur Gerhart Peuckert finden. Er war mein Freund. Er war Engländer, genau wie wir. Meine Frau ist mir nach Freiburg nachgereist. Davon hatte ich keine Ahnung, das schwöre ich. Sie hat niemandem etwas getan. Wenn du uns verschonst, können wir dir helfen.«
»Du hast wirklich eine blühende Phantasie.« Lankau schüttelte den Kopf und bleckte die nikotingelben Zähne. »Du willst mir helfen? Womit denn? Weißt du, was du bist? Du bist armselig!«
»Wenn man Stich findet, wird man auch Dinge finden, die ihn mit dir in Verbindung bringen. Man wird dich verhören. Man wird alles auf den Kopf stellen, was Stich hinterlässt. Und wer weiß, was man da finden wird? Vielleicht musst du mit deiner Familie verschwinden. Irgendwohin, weit weg. Sehrweit sogar.
Dabei
könnten wir dir zum Beispiel helfen.« Bryan konnte Lankau ansehen, dass erste Zweifel in ihm aufkeimten. »Bist du dir ganz sicher, dass Stich nichts hinterlässt, was dir schaden könnte?«, bohrte Bryan nach.
»Halt die Fresse!«, schrie Lankau und sprang von seinem Stuhl auf. Er trat so fest zu, dass Bryan zur Seite kippte.
Laureens Blick wurde ganz starr, als Bryan neben sie rollte. Sie schnappte nach Luft und sah ihn kaum an. Die Augen weit aufgerissen, versuchte sie, ruhiger zu atmen.
Stattdessen bewegten sich ihre Lippen und wisperten kaum hörbare Worte. Bryan versuchte, aus den winzigen Lippenbewegungen schlau zu werden. Plötzlich blinzelte Laureen und ließ den Blick mehrfach ruckartig nach unten wandern.
Bryan konnte ihre Verzweiflung spüren, als Lankau wieder näher kam. »Es tut mir leid, Laureen«, sagte Bryan, und Lankau blieb stehen. »Ich hätte dir alles erzählen sollen. Von dem Lazarett in Freiburg, von James und …« Ihr Kopfschütteln brachte ihn zum Schweigen. Das wollte sie alles gar nicht hören. Sie schlug die Knie zusammen. Bryan sah auf ihre Beine. Sie hielt inne. Bryans Blick fiel auf den Boden.
Hinter ihren gefesselten Füßen, nur einen Meter von ihm entfernt, lag die Kenju.
Lankau trat hinter ihn. Bryan drehte sich um und sah ihm trotzig ins Gesicht. »Du wirst genau wie Stich enden.« Bryan spuckte ihm auf die Schuhe, Lankau antwortete mit einem weiteren Tritt, durch den Bryan noch näher an Laureens Füße gelangte.
Während er sich krümmte und nach Luft rang, gelang es Bryan, mit der rechten, auf den Rücken gebundenen Hand an die Pistole heranzukommen. Er konnte nur mit Zeige- und Mittelfinger agieren. Bryan setzte sich auf. Mit Hilfe von Laureens Fußspitzen schaffte er es, die Pistole zu seiner linken Seite zu bugsieren. Ihm brach der Schweiß aus. Lankaus Atem ging wieder schwerer.
»Sag mal, für wie blöd hältst du mich eigentlich?«, sagte er und fasste sich an die Nasenwurzel. Die Wunde hatte sich bereits geschlossen. »Spar dir deine Geschichten. Mag ja sein, dass das englische Bambusrohr da deine Frau ist, und mag auch sein, dass du dich jetzt Underwood Scott nennst. Du wärst nicht der Einzige, der sich nach dem Krieg eine neue Identität zugelegt hat. Aber du warst von der Leyen und bist von der Leyen. Die Frage ist jetzt bloß, was ich mit dir mache. Ich kann dich ja nicht einfach so verschwinden lassen. Oder vielleicht doch? Bin ja schließlich auch nicht mehr der Jüngste. Das will alles gut überlegt sein!«
Bryan beugte sich ein wenig, stöhnte wieder und verzog das Gesicht. Dann lag er kraftlos auf seiner linken Seite. Die Pistole befand sich jetzt unter seinem Ellbogen.
Lankaus Blick war finster und besonnen. In seinem Hirn arbeitete es.
Bryan versuchte, seine linke Hand zu bewegen. Im Moment war sie vollkommen taub. Wenn er die Pistole zu fassen bekam, hatte er nur eine einzige Chance. Die durfte er auf keinen Fall verspielen.
»Wo ist denn Petra?«, ließ sich Laureen überraschend vernehmen. Sie wirkte gefasst und sah Lankau zum ersten Mal direkt an.
»Ja, na sowas, gute Frau! Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr fragen. Eigentlich seltsam, wo ihr doch so gute Freundinnen seid. Regelrechte Sandkastenfreundinnen, wenn ich mich recht erinnere, oder?«
»Ich habe sie heute zum ersten Mal in
Weitere Kostenlose Bücher