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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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entschlossen in der Hand hielt, an Konturen. Es war eine Pistole. Bryan versuchte zu begreifen. Vergebens. »Warum befreist du mich nicht, James?«, fragte er noch einmal.
    James kniete sich vor ihn. »Arno von der Leyen! Bryan! Werbist du? Wer fragt mich das?« Hasserfüllt sah er ihn an. »Hast du etwa mir geholfen? Hast du etwa mich befreit?« Bryan zog die Augenbrauen hoch und wollte gerade antworten.
    »Wage es nicht, den Mund aufzumachen!« James stand auf und richtete die Waffe auf Bryan. »Du hast mich dort zurückgelassen! Krank, wie ich war. Ich hätte bis in alle Ewigkeit dort liegen können, stimmt’s? Wie ein lästiges Stück Dreck!« Völlig unvermittelt riss James Bryan mit einem Ruck den linken Ärmel ab. Bryan wurde wieder übel. »Du hast sie noch!«, stellte er mit einem Blick auf die stark verblichene Tätowierung an Bryans Oberarm fest. »Das überrascht mich!« Bryan würgte ein paarmal und ließ den Schleim in den Mundwinkeln hängen. »Du trägst sie schon verdammt lange mit dir herum, Bryan. Wäre es nicht besser gewesen, sie zu tilgen? So, wie die Erinnerungen?« James ließ seinen Arm fallen.
    »Kannst du dich überhaupt erinnern, wie es dir in dem Lazarett ging, Bryan? Wie lange warst du da? Ein halbes Jahr? Etwas länger vielleicht, aber was heißt das schon.« James sah zu den Frauen. Petra warf ihm einen flehenden Blick zu und ließ die andere Frau los, die sich noch immer auf sie stützte. »Kannst du dir vorstellen, das fast dreißig Jahre mitzumachen?«, fuhr er fort. »Hast du Kinder, Bryan?« Er schnaubte und sah den Schleim, der Bryan beim Nicken seitlich über das Kinn lief. »Dreißig Jahre, Bryan! Du hast Kinder bekommen, hast geliebt, die Welt gesehen, das Leben genossen, geschlafen, du bist im Garten deiner Eltern spazieren gegangen, deinen Träumen immer näher gekommen, hast sie verwirklicht. Und ich habe hier gesessen. Dreißig Jahre lang!« Den letzten Satz schrie er so laut, dass Bryan unvermittelt aus seiner gleichgültigen Apathie hochschreckte und zu seinem Freund aufsah.
    Der steckte die Hand in die Tasche und zog ein großes Glas mit Tabletten hervor. »Möchtest du eine Kostprobe davon haben? Von der Zeit, wie ich sie erlebt habe? Willst du wissen,wie es mir ergangen ist, während du dein Leben lebtest? Willst du wissen, wo ich die ganze Zeit war?«
    Bryan öffnete widerstandslos den Mund. Schon bei der ersten Tablette erkannte er die für dieses Chlorpräparat charakteristische Trockenheit wieder.
    Die Spuckreflexe waren auch dreißig Jahre später sofort wieder da.
    »Komm, noch eine!«, rief James und stopfte ihm eine weitere Tablette in den Mund. »Eine für jedes Jahr, das du mich im Stich gelassen hast!« Äußerst unsanft schob er Bryan die Tabletten bis in den Rachen, bis Bryan würgte. Er war dermaßen betrunken, dass er sich nicht wehren konnte. »Und eine für die Ewigkeit!« James drückte ihm immer noch einen Klumpen in den Schlund. Bryan schluckte sie alle. Schließlich war das Glas leer. Er spürte, dass er schon bald wieder das Bewusstsein verlieren würde.
    Die folgenden Minuten waren ein einziges Inferno. James’ Blick war gnadenlos.
    Bryan war das egal.

66
    DIE VOR DER OFFENEN Terrassentür stehende Laureen bekam langsam wieder Farbe im Gesicht. Angesichts dessen, was sich da gerade am Pool abspielte, drückte sie sich an Petra und betete. Petra schüttelte den Kopf und umklammerte das Jagdmesser, fest entschlossen, es   – wenn nötig   – einzusetzen.
    Petra drückte Laureens Hand so fest, dass diese vor Schmerz aufstöhnte. Nichts von dem, was Gerhart hinausschrie, half aufzuklären, wieso sich ihr Leben so und nicht anders entwickelt hatte. Aber es machte ihr bewusst, wie viele Jahre vergangen waren, wie lange sie sich hinter Selbstbetrug verschanzt hatte. Die Ereignisse der letzten Stunden erschienen in neuem Licht und es verlangte sie nach weiterer Aufklärung.
    Auch wenn es vielleicht zu spät war.
    Ohnmächtig stampfte Laureen mit den Füßen, während sie zusehen musste, wie Gerhart die Tabletten in ihren halb bewusstlosen Mann stopfte. Als er aufhörte, fing Bryan an zu schwanken.
    Petra war entsetzt. Die Dosis, die James Bryan verpasst hatte, war tödlich. Die ganze Zeit flehte Petra Gerhart an, auf sie zu hören, innezuhalten. Noch sei es nicht zu spät. Noch könnten sie entkommen und die Vergangenheit hinter sich lassen. Noch hätten sie viele Jahre vor sich, ein lebenswertes Leben. Und dass er ihr das schuldig sei.
    James

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