Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus
difference anyway …!«, so tauchte es aus den Tiefen seiner Erinnerung wieder empor.
Über ihnen wölbte sich unendlich weit und majestätisch der Sternenhimmel. Bryan rollte sich auf die Seite, sah seinen Freund aus Kindertagen an und sang. Stück für Stück kehrte die Erinnerung an damals zurück, als sie über die Klippen von Dover kletterten. An das Rauschen des Meeres unter ihnen, an die Hitze und an die Angst.
»Erinnerst du dich, James?«, lachte er und sang weiter: »I’m against it!«
Laureen hockte sich neben ihn und zupfte ihn am Ärmel, doch Bryan sang ungeniert weiter in die stille Nacht. »Your proposition may be good, but let’s have one thing understood. Whatever it is, I’m against it!« Immer und immer wieder sang Bryan den Refrain.
James lag ungerührt in Petras Armen. Petra sah Bryan ausdruckslos an und schien um Jahre gealtert. Als sie ihren Kopf wieder auf James’ Schulter legte, bewegte er sich plötzlich. Mit einem Ruck richtete sie sich auf und packte ihn, bevor er umfallen konnte. Sein Atem ging rasselnd. Er zitterte. Petra drückte ihn fest an sich.
Sie strich ihm über den Nacken, versuchte, seinen Blick aufzufangen und seine Tränen wegzuwischen. Doch er hatte den Blick starr zu Boden gerichtet. Der Schmerz, der so lange in ihm gewütet hatte, brach sich endlich Bahn. Der Schmerzensschrei kam tief aus seinem Innersten, sodass es allen anderendurch Mark und Bein ging. Petra und Laureen schluchzten, und Bryan schien langsam die Situation zu begreifen.
Schließlich hob James den Kopf und sah Petra in die Augen. Er strich ihr über die Wange und küsste sie unendlich sanft auf den Mund. Sie schloss die Augen und schmiegte sich wieder an ihn.
Dann seufzte James und hob den Blick. Er räusperte sich, wandte sich Bryan zu und sah ihn lange an. In seinem Gesicht mischten sich Trauer, Entsetzen, Hass und Erleichterung, als er zu sprechen versuchte. Die Worte wollten und wollten nicht kommen, doch niemand wagte ihn zu unterbrechen. »Bryan«, sagte er schließlich ganz ruhig und mit der Stimme, die Bryan auch nach dreißig Jahren so unendlich vertraut war. »Sag, Bryan: Wie hieß David Copperfields zweite Frau?«
Verwirrt sahen Petra und Bryan ihn an. Bryan schloss die Augen und versuchte zu verstehen, was da gerade passierte. Den Blick auf seinen Freund gerichtet, suchte er nach Worten, die das Durcheinander seiner Gefühle beschreiben konnten. Laureen strich ihm übers Haar. »Ihr Name war Agnes, James«, antwortete sie. »Sie hieß Agnes!«
67
BRYANS ÜBELKEIT WAR abgeklungen, aber die Wunden schmerzten ihn sehr. Es würde Monate dauern, bis die mehr oder weniger schweren Verletzungen verheilt waren. Im Laufe der Nacht hatte Bryan dreimal die Verbände wechseln müssen. Besorgt sah er zu Laureen. Auch sie hatte kein Auge zugetan. Die Kopfschmerzen brachten sie fast um.
Bryan fummelte an seinen Zigaretten herum. Er hatte das Gefühl, kreidebleich zu sein, als er wieder zum Telefonhörer griff.
»Können wir nicht einfach nur nach Hause fliegen?«, hatte sie vorsichtig gefragt.
Seit Bryan am selben Morgen aus seinem Hotel ausgecheckt hatte, war er nicht eine Sekunde von dem Telefon in Laureens Hotelzimmer gewichen. Laureen packte, musste sich dabei aber zwischendurch immer wieder setzen. Es war ein anstrengender Morgen mit einer anstrengenden Bridget gewesen. Sie hatte Gott sei Dank nicht das Geringste von dem begriffen, was sich am Vortag zugetragen hatte. Wie sollte man all das auch erklären?
Irgendwann drückte Laureen ihr fünfhundert Mark in die Hand und schickte sie in die Stadt, da sie und Bryan so einiges zu besprechen hatten.
Verwirrt zog Bridget von dannen.
Kaum hatte Bryan den Hörer aufgelegt, klingelte das Telefon schon wieder. Er nahm ab und fing nach wenigen Sekunden leise an zu lachen. Laureen zuckte zusammen und sah ihn erschrocken an, als er sich beim Lachen an die Wunde in der Seite fasste.
»Das war Welles«, sagte er, indem er auflegte. Laureen nickte erleichtert und desinteressiert. »Er wollte erzählen, dass er in Erfurt einen Psychiatriepatienten namens Gerhart Peuckert gefunden hat.« Eigentlich hätte er lächeln wollen, doch stattdessen sah er besorgt auf sein Hemd. Noch war es weiß. »Was sagst du dazu? In Erfurt!«
Laureen zuckte mit den Schultern. »Hast du deinen Pass?«
»Sowas in der Art«, sagte er und wählte schon wieder eine Nummer. »Wir fahren mit dem Zug nach Stuttgart und fliegen von da. Ich glaube, es ist besser, wenn wir
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