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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Gesichter wandern. Dann hörte man im Krankenzimmer nur noch das Geräusch des Lampendynamos.
    Wenn die Schwester im Schein der kleinen Lampe aus dem Raum gewandert war und ihre Schritte auf dem Korridor verklangen, wartete Kröner immer noch einen Augenblick ab, um Gewissheit zu haben, dass wieder absolute Ruhe herrschte. Dann setzte das Flüstern erneut ein.
    Und James spitzte die Ohren.
    Ihm wurde klar, dass Kröner den Mann einzig und allein deshalb erstickt hatte, weil er näher bei seinen Kumpanen liegen wollte. Solange der Pockennarbige James nicht als Bedrohung empfand, hatte er also nichts zu befürchten.
    Dennoch konnte James nicht mehr ruhig schlafen. Das, was die Simulanten sich nachts erzählten, war einfach zu entsetzlich. Und was James am meisten erschütterte: Sie erzählten es, als handelte es sich dabei um Heldentaten.

13
    IHRE AUSFÜHRUNGEN WAREN unerträglich detailliert. Die Simulanten schwelgten förmlich in ihren eigenen Untaten. Nacht für Nacht wollten sie sich gegenseitig übertrumpfen. James hatte sich nicht vorstellen können, dass es Menschen gab, die dem Krieg durchaus etwas abgewinnen konnten.
    Er war erschüttert. Wenn die drei Teufel dann endlich Ruhe gaben, verfolgten ihre Geschichten voller Gräuel und Gewalt James bis in den Schlaf, und nicht selten wachte er schweißgebadet aus diesen viel zu realen Albträumen auf. Stück für Stück offenbarte sich ihm, wieso die Simulanten hier gelandet waren und warum sie um jeden Preis bleiben wollten, bis der Krieg zu Ende war oder sie auf andere Weise entkommen konnten   …
     
    Obersturmbannführer Wilfried Kröner hatte sich in den Jahren 1942 und 1943 auf dienstlichen Befehl hin mit seiner Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei, dem SD, den Bewegungen der Panzerdivisionen der Waffen-SS an der Ostfront an die Fersen geheftet. Hier lernte er, dass man jeden Willen brechen konnte   – und dafür liebte er seine Arbeit.
    Kröner erinnerte sich immer wieder genüsslich daran, wie es war, wenn man die Delinquenten beim Aufhängen so langsam hochzog, dass die Zehenspitzen gerade noch den Boden berührten. Und an den Kitzel, wenn die Unterlage gefroren war und die Zehenspitzen fieberhaft über das spiegelglatte Eis tanzten. Selbstzufrieden berichtete er, wie es ihm dann und wann gelungen war, einen Strick so punktgenau über den Galgen zu werfen, dass zwei gleich schwere Partisanen gleichzeitig an den beiden Enden aufgehängt werden konnten.
    James wurde jedes Mal übel.
    Wenn man Kröners Ausführungen folgte, musste man zu dem Schluss kommen, er habe dort seine große Zeit gehabt. In einem Verhör leistete ein Leutnant der Sowjetunion mit eisernem Willen hartnäckig Widerstand. Bevor er schließlich zusammenbrach, hatte er aus seinen Kniehosen noch einen Leinenbeutel gerissen: Ringe und deutsches Geld, silberne und goldene Amulette und einige Rubel rollten über den Tisch. Geholfen hatte ihm das nicht mehr, sie prügelten ihn zu Tode. Zweitausend Mark, überschlug man den Wert, als sie die Beute aufteilten. Das waren vierhundert für jeden der Offiziere in Kröners Stab und achthundert für ihn. Sie nannten es zurückgewonnene Kriegsbeute und sorgten in Zukunft dafür, die Gefangenen persönlich einer Leibesvisitation zu unterziehen, ehe sie zum Verhör gebracht wurden. Oder zur »Einschläferung«, wie Kröner die standrechtlichen Hinrichtungen lakonisch nannte. Er lachte, als er erzählte, wie seine Untergebenen ihn einmal dabei erwischt hatten, dass er die Beute an sich nahm, ohne sie mit ihnen zu teilen. Kurzerhand hatte er seine Neider umgebracht.
    Kröner war im Winter 1943, genau gesagt zwei Wochen vor Weihnachten, zum ersten Mal auf Horst Lankau gestoßen. Er hatte sich an dem Tag zu einer Razzia im südlichen Abschnitt der Ostfront aufgehalten, deren Ziel eine Säuberungsaktion nach einem kürzlich erfolgten Überfall war.
    Die Dörfer waren zerstört, aber der Wille der Menschen ungebrochen. Hinter eingestürzten Bretterwänden, geschützt von Strohbündeln, saßen immer noch Familien und kochten eine Suppe aus den letzten Knochen der getöteten Tiere. Kröner ließ sie alle herausholen und erschießen. »Weitermachen!«, befahl er den S S-Soldaten . Er wollte keine potentiellen Partisanen gefangen nehmen, sondern sowjetische Offiziere, die etwas wussten und vielleicht auch Wertgegenstände besaßen, die man ihnen abknöpfen konnte.
    Am Rand eines anderen Dorfs zerrte eine Abteilung S S-Sol daten einen Mann zwischen den brennenden

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