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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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siebenundzwanzig Yards pro Sekunde. Bryan und James hatten staunend das kleine Anemometer betrachtet. Neunzig Stundenkilometer!
    Auf dem Heimweg von der Schule staunten sie immer noch darüber. Bei einer Geschwindigkeit von fünfzig Kilometern in der Stunde konnte man bei günstigen Windverhältnissen in einer halben Stunde nach Frankreich fliegen! Glitt man mit einem Eisboot über das Eis, dauerte es sicher doppelt so lange.
    Noch ehe der Tag um war, hatten sie erste konkrete Vorstellungen eines Interesses entwickelt, das ihr Schicksal werden sollte. Sie wollten einen Ballon nähen und die faszinierende Kraft des Windes damit einer Probe unterziehen.
    Sie wollten fliegen.
     
    Das Segeltuch stahlen sie an den Wochenenden Stück für Stück unten am Hafen von Dover. Für den Transport nach Canterbury sorgte nichtsahnend Mr.   Young: Der Hohlraum unter dem Rücksitz fasste erstaunlich viel.
    Fast ein Jahr lang nähten die beiden in der Gartenlaube der Familie Young an einem Ballon. Niemand sollte etwas davon wissen. Sie hatten es eilig, denn nach den Ferien würden sie das King’s College in Canterbury verlassen und nach Eton wechseln.
    Dann war Schluss mit den regelmäßigen Wochenendbesuchen in Dover.
     
    Drei Tage vor Beginn der Ferien legten sie letzte Hand an ihr Werk.
    Das Problem, wie der Ballon nach Dover geschafft werden konnte, wo Klippen und Wind warteten, fand zufällig durch Jill eine Lösung.
    Sie suchte eine Vitrine für ihre Aussteuer. Als sie in einer Zeitungsanzeige aus Dover »Vitrine zu verkaufen, Tausch gegen ein gutes Damenfahrrad möglich« las, waren die Jungen Feuer und Flamme. Sie würden nach Dover fahren, Mrs.   Teasdales Fahrrad eintauschen und es in das Segeltuch des Ballons verpacken.
    Als sie nach Dover kamen, war die Vitrine leider schon verkauft. Jill war untröstlich. Auf dem Heimweg fragte James seine große Schwester, ob sie sein Taschentuch leihen wolle. Jill betrachtete es ungläubig, dann lachte sie los. »Du brauchst wohl eher meins, kleiner Bruder!«
    James konnte ihre Grübchen immer noch vor sich sehen.
    Das Taschentuch, das sie ihm gegeben hatte, war blau, und Jill selbst hatte es bestickt.
    In der folgenden Zeit beobachtete Bryan erstaunt, wie sich James jeden Morgen seinen Talisman, das Tuch, um den Hals band.
     
    Zwei Wochen warteten die Jungen, bis Windstärke und Windrichtung stimmten. Dann war es soweit.
    Sie holten den Korb voller Holzscheite, der seit dem Herbst versteckt zwischen den Bäumen lag. Dieser Ballonkorb war ein Prachtexemplar von einer Gondel, die sie mit fünf Seilen unter der Öffnung des Ballons festzurrten. Danach legten sie das Holz unter dem Baum zurecht, in dessen Wipfel das Segeltuch hing. Als es hell wurde, brannte schon seit Stunden ein lustiges Feuerchen unter dem Ballon, der sich mehr und mehr aufblähte.
    Noch ehe sich das Segeltuch zu zwei Dritteln gefüllt hatte,war die Sonne aufgegangen. Der Himmel war so klar, dass man das europäische Festland am Horizont ausmachen konnte. Unten am öffentlichen Badestrand wateten einige Pensionsgäste durchs Wasser.
    Nie würde James diese Stimmung vergessen.
    In jenen kritischen Minuten, ehe ihre Fahrt beginnen sollte, machte James mehrere Fehler. Als die Badegäste auftauchten, verlangte er, dass es sofort losgehen solle, damit sie nicht entdeckt würden. Bryan protestierte. Der Ballon hatte sich noch nicht ausreichend gefüllt. »Vertrau mir«, hatte James gesagt. »Es wird funktionieren.«
    Als der Wind den Ballon schließlich leicht anhob, hatte James sich sicher gefühlt. Das Segeltuch über ihnen war beeindruckend. Oval, aufgebläht und groß. Da kappte er die erste Vertäuung und warf noch zwei Klötze über Bord.
    Die gewaltige Silhouette des Ballons schwankte einen Moment über dem Rand der Klippe. Bryan hatte erschrocken nach oben geschaut und auf die Nähte gedeutet, wo bereits heiße Luft entwich. »Lass es uns an einem anderen Tag versuchen!«, hatte er gesagt, aber James hatte nur den Kopf geschüttelt und hinüber nach Cap Gris Nez gespäht. Dann ritt ihn noch einmal der Teufel und blitzschnell hatte er die restlichen Holzscheite, ihren Proviant und die Extrakleidung abgeworfen.
    Im selben Moment, als der Korb in einem anmutigen Hopser abhob, wurde der Ballon flach und streckte sich wie ein Segel vor den unberechenbaren Windstößen. Bryan hatte sich mit einem Satz in Sicherheit gebracht   – James war sprachlos in der Gondel geblieben.
    Und dann wurde das Fahrzeug über den Rand

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