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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Das nächtliche Flüstern hatte aufgehört, und damit waren die Nächte unkalkulierbar geworden. In der vierten Nacht stand Lankau auf, ging zu demNeuankömmling und tötete ihn fast lautlos. Das Knacken der Halswirbel war leiser als das ewige Fingerknacken des Idioten am Ende des Raums. Lankau schleifte den Mann zu dem einzigen Fenster, das sich öffnen ließ, und kippte ihn mit dem Kopf vornüber hinaus.
    Sofort war das Rufen der Wachen zu hören, und keine drei Minuten später stand einer der Sicherheitsoffiziere im Raum. Sämtliche Lampen wurden eingeschaltet. Laut schimpfend rannte der Offizier zwischen dem Fenster und der wachhabenden Krankenschwester hin und her, die händeringend neben den Betten stand. Das Toben nahm kein Ende. Das Fenster müsste auf der Stelle fest verschraubt werden, und derjenige, der dafür gesorgt hatte, dass es sich öffnen ließ, würde zur Verantwortung gezogen.
    Dann schritt der Offizier die Betten der Reihe nach ab und unterzog jeden Patienten einer eingehenden Musterung. James war so aufgeregt, dass der Offizier es bemerkte und bei ihm stehen blieb.
    Als dann der vorgesetzte Sicherheitsoffizier ins Krankenzimmer trat, sah man ihm an, dass er aus dem Schlaf gerissen worden war. Im Schlepptau brachte er zwei müde S S-Sol daten mit, die sich kaum auf den Beinen halten konnten. Auch der Oberarzt kam hinzu. Auf die Anschuldigungen reagierte er nicht. »Das Fenster wird morgen zugenagelt«, entgegnete er kurz angebunden, machte auf dem Absatz kehrt und ging wieder.
    Kurz bevor das Licht wieder ausgeschaltet wurde, erwachte Bryan aus seinem Dämmerschlaf nach der letzten Schockbehandlung. Apathisch blickte er sich um. James schloss sofort die Augen.
    In der folgenden Nacht wurde wieder geflüstert, und damit war der beunruhigende Normalzustand wiederhergestellt. Die Mitteilungen, die die Simulanten austauschten, waren nur kurz. Kröner hatte den Ermordeten wiedererkannt   – vor allemaber hatte der
ihn
wiedererkannt. Er lobte Lankau, fügte aber trocken hinzu, nun müssten sie sich für die Zukunft andere Methoden ausdenken, falls sich erneut Probleme ergäben.
    »Warum?«, meinte Lankau. »Was macht es denn schon, wenn das Fenster fest verschraubt wird? Was sollte einen Selbstmörder hindern, sich durch ein geschlossenes Fenster zu stürzen?« Er lachte. Aber Kröner lachte nicht mit.
    Die Entwicklungen waren beängstigend. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie die kleinen Zeichen, mit denen Bryan versuchte, Kontakt zu James aufzunehmen, entdecken würden.
    Schmidt und Lankau würden weiterhin tagsüber gut schlafen, aber Kröner hatte ganz gewiss nicht vor, sich täuschen zu lassen.
    Das musste Bryan unbedingt begreifen.

16
    DIE SCHWESTERN LÄCHELTEN Bryan schon den ganzen Morgen an.
    Der Pockennarbige, der den Wagen voller Wäsche vorbeischob, nickte ihm eifrig zu und deutete zur Schwingtür. Eine Abordnung von Krankenschwestern kam herein   – Bryan erkannte nur zwei   –, steuerte direkt auf ihn zu, baute sich vor seinem Bett auf und schmetterte drauflos. Schöner Gesang war etwas anderes.
    Bryan wich förmlich zurück. Inständig hoffte er, sie würden schnell wieder verschwinden. Stattdessen beugte sich eine der Älteren über das Bett und presste sich die Hände vor die Brust. Zwei der Patienten applaudierten, als die Oberschwester Bryan ein hübsch in Seidenpapier gewickeltes Päckchen reichte. Sie winkte der hinter ihr stehenden Schwesternhelferin zu, die auf ausgestreckten Händen etwas Braunes trug. Soweit Bryan erkennen konnte, war das ein Stück Torte, in dem eine kleine Hakenkreuzfahne steckte. Alle ringsum strahlten. Der Oberarzt schaute zu. Zum ersten Mal lächelte er Bryan freundlich an. Seine Zähne waren in einem miserablen Zustand.
    Bryan ließ sich zurücksinken. Ihm war sehr sonderbar zumute. Es war der erste Geburtstag, der hier im Krankenzimmer gefeiert wurde. Der Geburtstag eines anderen Mannes, und doch stand er im Mittelpunkt.
    Es war noch gar nicht lange her, da war James in aller Stille zweiundzwanzig geworden. Bryan hatte ihm zunicken wollen, aber James hatte nur in die Luft gestarrt.
    So hatte sich James während der beiden letzten Monatemeistens verhalten. Wie sie auf diese Weise Fluchtpläne schmieden und umsetzen sollten, war Bryan schleierhaft.
    Dass James an seinem Geburtstag wehmütig wurde, konnte er ja nachvollziehen. Aber was bedeutete das an den anderen Tagen? Warum mied er seinen besten Freund? Wie lange sollten sie denn noch

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