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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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warten?
    Bryan probierte ein paar Krumen und reichte den Kuchen dann an seinen Nebenmann weiter. Der knallte wie immer die Hacken zusammen und aß, als hätte man es ihm befohlen. Es war nur eine Frage von Tagen, dann würde dieser Mann zurück in die Hölle der Ostfront geschickt. Der Idiot freute sich. Er stand die meiste Zeit am Fenster, kehrte den anderen den Rücken zu und starrte in die hügelige grüne Landschaft hinter den Wachtürmen.
    Gerade als der Pockennarbige und sein breitgesichtiger Kumpel die Essenswagen ins Krankenzimmer schoben, war von Norden ein lautes Brummen zu hören. Nicht lange, aber für einen routinierten Offizier der englischen Luftwaffe lange genug, um stutzig zu werden. Bryan warf einen Blick auf James, der, die Hände hinter dem Kopf gefaltet, auf dem Bett lag.
    Das dumpfe Dröhnen kam von irgendwo weit her. Baden-Baden, flüsterten einige, andere vermuteten Straßburg. Vonnegut deutete mit seiner eisernen Faust zum Fenster und rief einer Putzfrau beide Städtenamen zu. Sie schrubbte den Fußboden, als ginge sie das alles nichts an.
    Da wurde das Geräusch auf einmal sehr viel lauter. Drei, vier Patienten standen auf, um zuzusehen, wie bei schwindendem Tageslicht das Feuer der Flak-Geschütze immer deutlicher zu sehen war. Rötlicher Lichtschein hing die ganze Nacht wie eine schwache Aura über der Sommerlandschaft.
    Sie kommen näher, dachte Bryan und betete für seine Freunde in der Luft, für sich und für James. Beim nächsten Mal ist es vielleicht Freiburg. Dann schlagen wir zu, James!
     
    Einer der Patienten, der bisher nur apathisch im Bett gelegen hatte, tanzte plötzlich durch das Krankenzimmer. Im Schlepptau hatte er immer einen mageren Mitpatienten, der nie allein den Kopf drehte, sondern immer den ganzen Körper. Wie siamesische Zwillinge hatten sie den ganzen Vormittag an dem Fenster gestanden, wo der Kalendermann sein Bett hatte. Geduldig und stumm hatten sie hinausgestarrt. Als der entfernte Feuerschein nicht mehr zu übersehen war und die Detonationen über die Ausläufer der Berge bis zur Klinik dröhnten, nahm der Magere den anderen am Arm und lehnte still seinen Kopf an dessen Schulter.
    Am anderen Ende des Raums kam der Kalendermann gerade von einem seiner seltenen Toilettenbesuche zurück. Als er die Unzertrennlichen dort mit der Nase am Fenster vorfand, brummte er irgendetwas und versuchte, den Mageren aus seinem Territorium zu schieben, ohne Erfolg.
    Bryan sah ihnen zu und lehnte sich auch zum Fenster vor. Es lag etwas in der Luft. Die Zwillinge hatten richtig gehört. Das leise Summen wurde gegen den Berg geworfen und von den Bäumen aufgesogen. Die sind auf dem Weg nach Süden, dachte Bryan. Vielleicht nach Italien! Er starrte James an.
    Sekunden später fuhren die Zwillinge zusammen. Die dumpfen Explosionen kamen sozusagen von hinten, schlugen über dem Lazarett und über den Felswänden zusammen und wurden dann als kaum zu unterscheidende Abfolge von Echos zurückgeworfen. Die Flugzeuge waren offenbar von Südwesten gekommen. Vielleicht waren die Formationen über Colmar herübergeglitten, vielleicht hatte aber auch der Wind die Geräusche verweht und Bryan an der Nase herumgeführt.
    Jedenfalls hatte etwas ganz in der Nähe eingeschlagen, soviel war klar.
    »Schnell, schnell!« Die Krankenschwester, die sie aus dem Raum scheuchte, wirkte weder überrascht noch panisch. Diewenigen bewusstlosen Patienten ließ sie einfach liegen. Alle übrigen gingen wenige Minuten später die Treppen hinunter.
    Draußen waren Sirenen zu hören, eilige Schritte und Türknallen. Am Ausgang zum Hof stand ein Wachposten und bedeutete ihnen mit dem Gewehr, dass sie an ihm und dem Stahlgeländer vorbei in den Keller des Alphabethauses gehen sollten. Die Patienten drängelten und schoben heftig. Die Ereignisse ringsum ließen die Fronterlebnisse, die ihnen allen den Verstand geraubt hatten, wieder lebendig werden.
    Im Keller gab es zwei getrennte Bereiche. Eine Reihe von Zellen war mit grauen Stahltüren versehen, von wo unaufhörlich gedämpft Klagerufe und Schreie zu hören waren. Eine einzelne Tür rechts führte in einen Raum, der etwa halb so groß war wie ihr Krankenzimmer. Ohne die geringste Chance, in James’ Nähe zu kommen, wurde Bryan immer weiter vorwärts gedrängt. Plötzlich fand er sich in der entferntesten Ecke wieder, während sich immer neue Patienten aus anderen Abteilungen durch die schmale Tür schoben.
    James stand mitten im Raum unter einer der schwachen,

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