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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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anderen Seite erhob sich langsam eine Gestalt und starrte zu ihm herunter. Bryan drückte sich unter das Bett.
    Das musste der Pockennarbige sein, Bryan war sich völlig sicher.
    Im kühlen Licht des Mondes zeichneten sich auf dem Fußboden die Schatten Dutzender Bettpfosten ab. An einem lag eine Tablette. Sie musste über den Mittelgang gerollt und unter dem Fußende des Pockennarbigen liegen geblieben sein.
    Das Bett des Riesen knarrte. Er hatte nicht vor, sich wieder hinzulegen.
    Sowie sich die Wolkendecke wieder schloss, lockerte Bryan seinen Griff um das Hemd und tastete nach seiner Bettdecke. Mit einem Ruck zog er sie zu sich, sodass der Pockennarbige in der Dunkelheit nicht mehr viel erkennen konnte.
    Auf dem Weg zu den Toiletten sah ihm der Riese unverhohlen und aufmerksam nach. Bryan wandte den Blick nicht zur Seite, sondern konzentrierte sich auf den Hemdzipfel.
    Erst als er das dritte Mal gespült hatte, waren auch die letzten Tabletten weg.
    Als er in die Krankenstube zurückkam, war sie wieder vom Mondlicht erhellt. Der Pockennarbige saß auf der Bettkante und ließ die nackten Beine baumeln. Hellwach musterte er seine Umgebung. Ganz offenkundig würde er Bryan nicht einfach passieren lassen.
    Vor Schreck hielt Bryan inne. Sofort ließ er den Unterkiefer herunterfallen und die Zunge heraushängen.
    Der Pockennarbige schien ihn unablässig zu betrachten, ohne auch nur zu blinzeln. Da lehnte Bryan sich dämlich glotzend vornüber, bis er fast das Gesicht des Pockennarbigen berührte. Bryan tat, als wollte er einschlafen, und schob vorsichtig tastend den Fuß dorthin, wo die verräterische Tablette liegen geblieben war. Als er sie schließlich spürte und seine Zehen darum krümmte, machte der Pockennarbige einen solchen Ruck nach vorn, dass sie brutal mit der Stirn zusammenstießen. Überrumpelt flog Bryan rückwärts und knallte mit dem Hinterkopf auf den Fußboden.
    Die Schmerzen waren unerträglich. Beim Aufprall hatte er sich fast die Zunge durchgebissen.
    Bryan rutschte unendlich langsam und leise rückwärts zu seinem Bett, weg von dem Blick, der ihm die ganze Zeit folgte. Der Pockennarbige legte sich wieder hin.
    Mit wild klopfendem Herzen versuchte Bryan in den kommenden Stunden, sich selbst zu überzeugen, dass irgendwann einmal alles wieder gut sein würde. Sein Mund füllte sich immer wieder mit Blut, die Zunge schwoll unglaublich an. Sie begann zu pochen, und er stöhnte vor Schmerz immer wieder auf, aber so leise, dass niemand davon geweckt wurde.
    Als er sich endlich so weit gefangen hatte, dass er spürte, wie der Schlaf kommen wollte, fiel ihm die Tablette wieder ein. Er hatte sie beim Sturz wieder verloren, und sie lag immer noch auf dem Boden.
    Lange starrte er an die Decke und überlegte, ob er doch noch einmal aufstehen und danach suchen sollte.
    Da hörte er zum ersten Mal das Flüstern.

18
    SCHWESTER PETRA ERSCHRAK , als sie Bryan am nächsten Morgen fand.
    Nach einer Nacht voller Schmerzen und Angst war sein Bett vollständig durchgeschwitzt und voller Blut. Stirn, Lippen und Kinnpartie waren geschwollen und pochten. Er hatte nicht eine Minute geschlafen. Denn auch als die Stimmen wieder geschwiegen hatten und nur die Stille geblieben war, hatte der Schlaf nicht kommen wollen. Bryan war zu aufgewühlt von dem, was er in dieser Nacht begriffen hatte.
    Was für eine grauenhafte Erkenntnis: James und er waren nicht die einzigen Simulanten! Und die anderen drei waren höchst aufmerksam, unberechenbar, skrupellos. Er zweifelte keinen Augenblick daran, dass sie gefährlich waren. Dazu kamen die vielen unbekannten Faktoren   – die waren schon immer Bryans ärgste Bedrohung gewesen.
    Dass der Pockennarbige Bryan von nun an im Auge behalten würde, daran bestand kein Zweifel. Die Frage war nur, was er bereits beobachtet hatte. Jetzt war Bryan immerhin klar, dass James die ganze Zeit vor den Simulanten zu warnen versucht hatte. Die Vorstellung, wie machtlos James gewesen war, bedrängte ihn. Was hatte der Freund in den letzten Wochen und Monaten nicht seinetwegen durchmachen müssen. Hätte er doch nur die Zeichen begriffen! James, ich werde es dir nun nicht mehr schwer machen!, war Bryans stummes Versprechen. Er hoffte inständig, dass James das wusste. Die nächtliche Episode konnte seiner Aufmerksamkeit nicht entgangen sein.
    Das unsichtbare Band zwischen ihnen beiden war wieder geknüpft.
     
    Mehrere Patienten zuckten nervös zusammen, als eine der neuen Krankenschwestern die

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