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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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das an sechs Tagen hintereinander wiederholt hatte, stand Bryan auf, als das Essen gebracht worden war, und ging leise summend mit dem Teller in der Hand zu Vonneguts Tisch. Wären Vonnegut oder Schwester Lili anwesend gewesen, hätten sie ihn sofort wieder zurückgeschickt. Aber an dem Tag hatte ein Patient so heftig auf die Schockbehandlung reagiert, dass Schwestern und Pfleger vor der Visite am Nachmittag alle Hände voll zu tun hatten. Bryan stellte den Teller ganz am Rand von Vonneguts Tisch ab und begann, das Essen in sich hineinzuschaufeln. Seine Zunge war noch immer geschwollen, heilte aber gut. Die Simulanten sahen ihm interessiert beim Essen zu und ließen den Blick zwischen ihm und der erstarrten Gestalt in der Ecke hin und her wandern. James wusste sicher genau, dass Bryan ihn beobachtete, aber er sah nicht auf.
    Da nahm James erst einen Löffel voll und dann noch einen. Der Abstand zwischen Bryan und James betrug nur wenige Meter. Bryan drückte auf den Rand des tiefen Tellers und registrierte genau den Widerstand und das Gewicht des Tellers.
    Im selben Moment, als James’ Hustenanfall kam, schlug Bryan auf den Tellerrand, sodass der Teller über die Tischkante und direkt gegen den Bettpfosten neben James’ Fuß schoss.Ohrenbetäubender Lärm war die Folge, und alle sahen auf. Bryan rannte hinter seinem Teller her.
    Vor James blieb er abrupt stehen und lachte ihm tonlos und entschuldigend ins Gesicht, dabei deutete er auf den verschmutzten Fußboden und den Teller. Aber James hob den Blick nicht von seinem Teller. Zwischen den Stücken von Schweinebauch und grauem, zerkochtem Sellerie lag etwas Undefinierbares, das aussah wie menschliche Exkremente.
    Bryan beugte sich scherzend vor und bohrte mit seinem Löffel darin herum. Er stimmte wieder sein Summen an, denn der Brechreiz war kaum zu unterdrücken. Auf James’ Teller lag tatsächlich menschlicher Kot.
    Der Pockennarbige lachte nur, aber der Breitgesichtige stürzte herbei und entriss James den Teller. Dann kratzte er die Substanz auf dem Fußboden auf James’ Teller und rannte zu den Toiletten.
    Wie der Kot in die Essensportion gekommen war, blieb Bryan ein Rätsel. Aber er war davon überzeugt, dass die Simulanten dahintersteckten und dass sie das für sich behalten wollten.
    Seit Tagen hatten sie James so schikaniert. Das war ein gnadenloser, offener Krieg mit ungleichen Mitteln und dem Ziel, James zu entlarven. Was ihnen möglicherweise gelungen war, denn James hatte reagiert. Er weigerte sich zu essen.
    An diesem Nachmittag durfte James unbehelligt auf der Bettkante sitzen.
    Und Bryan konnte nichts für ihn tun.
     
    Zwei der Verdunkelungsläden schlugen an ein Fenster, von dem Knall wurde Bryan sofort hellwach. Im Bett nebenan lag schwer atmend der Panzeroffizier mit den schweren Verbrennungen. Ein Stück weiter in der Reihe saß der Mann, der in den Duschkopf gestarrt hatte, schräg vorm Kopfende seines Betts und stierte auf die Reihe gegenüber.
    Die Nacht war nicht pechschwarz, sondern hatte noch etwas von dem bleichen Licht des Sommers. Die Silhouetten der Simulanten ragten im Dunkel um James’ Bett auf. Bryan wurde es eiskalt. Einer stand am Kopfende, einer in der Mitte und einer am Fußende. Immer wieder hob sich ein Arm zum Schlag. Nicht einmal ein Schrei verriet, was sie mit James anstellten. Erst später in der Nacht, als sie endlich von ihm abließen, war das Stöhnen zu hören.
    Ihr rührt ihn nicht noch mal an!, drohte ihnen Bryan innerlich, als er sah, wie James am nächsten Morgen zum Duschraum wankte.
    Doch warum hätten sie aufhören sollen? Nacht für Nacht waren nun aus der Ecke dumpfe Schläge zu hören. Allerdings achteten die drei darauf, keine Spuren in James’ Gesicht zu hinterlassen.
    Bryan war verzweifelt, er fürchtete um James’ Leben. Oft war er kurz davor, laut zu schreien oder nach der Klingelschnur zu greifen, um die Nachtschwester zu rufen oder sich James’ Peinigern selbst entgegenzustellen. Doch der Krieg hatte ihn seine ganz eigenen Überlebensregeln gelehrt. Regeln, die einem unter normalen Verhältnissen absurd und unmenschlich vorkommen mussten. Und so ergab sich Bryan in seine Ohnmacht.
     
    Als Schwester Petra James eines Morgens bewusstlos in einer Blutlache fand, hatten sie ihn zum letzten Mal in der Nacht heimgesucht. Petra war vor Entsetzen wie gelähmt. Nicht nur Dr.   Holst, sondern auch ein Arzt aus der somatischen Abteilung wurde herbeigerufen. Herrgott noch mal, seht ihr denn nicht das

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