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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Freund vorhatten.
    Irgendwann war James aus seiner tiefen Bewusstlosigkeit erwacht. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst. Wie er die Infusionen mit der falschen Blutgruppe überleben konnte, war Bryan ein Rätsel. Und es würde sicher noch lange dauern, bis James wieder imstande war, das Bett zu verlassen.
     
    Bryans Gedanken aber kreisten jetzt seit vielen Wochen um die Flucht. Immer wieder überlegte er, wie sie gelingen könnte.
    Das größte Problem war die Kleidung. Außer dem Nachthemd besaß Bryan nur ein Paar Socken, das jeden dritten Tag durch ein neues Paar, noch verwaschener als das vorhergehende, ersetzt wurde. Seit Bryan selbstständig zur Toilette ging, hatte er auch einen Schlafrock. Der würde ihn zumindest etwas vor Wind und Wetter schützen.
    Aber jetzt war der Bademantel weg. Einer der Pfleger hatte schon lange begehrliche Blicke darauf geworfen. Die Pantoffeln waren seit Langem verschwunden.
    Er schätzte die Entfernung bis zur Schweizer Grenze auf etwa sechzig bis achtzig Kilometer, das war zu schaffen. Noch war es spätsommerlich mild, an klaren Tagen zeichnete sich die Landschaft scharf ab. Nur die Nächte waren schon empfindlich kühl.
    Seit der Wind vor einigen Wochen auf West gedreht war, brachte er neue Geräusche mit, zum Beispiel sporadisches Pfeifen und tiefes Grollen wie von einem Zug. Das klang fast wieein gar nicht so fernes Echo, das Rettung ankündigte. Wir sind am Rand des Gebirges, James!, dachte er. Die Eisenbahn ist nicht weit weg. Wir können auf einen Zug aufspringen und damit bis zur Grenze fahren. Wir haben das schon einmal durchexerziert. Das machen wir wieder. Die Bahn wird uns bis nach Basel bringen, James! Wir springen einfach auf.
    Aber James war ein Problem.
    Die bläulichen Schatten unter seinen Augen wollten nicht verblassen.
    Schwester Petra betrachtete ihn immer besorgter.
    Eines Nachts begriff Bryan endlich, dass er allein würde fliehen müssen. Er war mit einem Ruck und dem sicheren Gefühl aufgewacht, im Schlaf gesprochen zu haben. Der Pockennarbige stand neben seinem Bett und betrachtete ihn argwöhnisch.
    Die Flucht ließ sich nicht länger aufschieben.
    Es hatte Stunden gegeben, da hatte er mit dem Gedanken gespielt, einen Pfleger niederzuschlagen und dessen Kleidungsstücke zu stehlen. Oder sich die Zivilgarderobe eines Arztes aus dem Arbeitszimmer zu beschaffen. Aber das waren natürlich nur Tagträumereien. Tatsächlich war Bryans Aktionsradius minimal: das Krankenzimmer, der Behandlungsraum, der Raum, in dem die Elektroschocks verabreicht wurden, und dann noch die Toiletten und das Duschbad. All das kannte er gut   – aber Zivilkleidung hatte er dort noch nie gesehen.
Das
war die Realität.
    Die Lösung fand er, als einer der Patienten an die Tür zum Bad pinkelte und so lange schrie und heulte, bis sie mit der Spritze angerannt kamen und ihn aus dem Verkehr zogen. Während Vonnegut auf dem Fußboden kniete und die gelbe Pfütze aufwischte, trippelte Bryan seitwärts in die Toilette.
    Die Tür zum Depot gegenüber den Kabinen stand weit offen. Während Bryan auf der Kloschüssel saß, sah er durch den Türspalt in den Lagerraum. Es war das erste Mal, dass er einen Blick hineinwerfen konnte.
    Eigentlich war das sogenannte Depot nichts weiter als ein großer Schrank, in dem Lappen, Seifen, Besen und Eimer verstaut waren.
    Von der Seite fiel Licht in die Kammer und erhellte den Fußboden und die Regale. Vonnegut plagte sich immer noch mit dem Fußboden ab und machte kein Hehl daraus, dass er sich und alle anderen sonst wohin wünschte. Mit wenigen Schritten war Bryan an der Tür. Er musterte den Rahmen. Der wirkte schwach. Das Holz war mürbe und das Schloss hielt nur notdürftig, der Metallbeschlag hatte sich längst gelockert. Die Tür öffnete sich nach innen und würde auf entsprechend energischen Druck und gleichzeitiges Pressen mit dem Knie leicht aufgehen.
    Auf der Rückseite der Tür hing an einem Porzellanhaken ein ausgedienter brauner Kittel. Bryan schnappte nach Luft, als Vonnegut die Tür aufstieß, ihn am Handgelenk packte und zu seinem Bett zurückbrachte.
    Bis der Mond unterging und es im Raum endlich ganz finster geworden war, hatte sich Bryan unzählige Male in Erinnerung gerufen, was er im Depot gesehen hatte. Bryan hatte einen Plan: Er würde in dieser Nacht mehrfach zur Toilette gehen. Durchfall war hier nichts Ungewöhnliches, die immer schlechtere Verpflegung zeigte Wirkung.
    Als Bryan in der Nacht zum ersten Mal simulierte,

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