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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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erste Morgenlicht drang gedämpft durch die Ritzen der Fensterläden. Die Simulanten beugten sich über ihn, ihre Fragen prasselten auf ihn ein. Bryan konnte sich denken, was die harschen deutschen Worte bedeuten sollten. Man wollte wichtige Informationen von ihm: Gab es noch mehr Simulanten? Gab es Mitwisser? Was wusste er?
    Aber Bryan schwieg, und die Simulanten waren unschlüssig. War er ein Simulant? Hatte er tatsächlich flüchten wollen? Oder Selbstmord begehen?
    Auch die Prüfung am nächsten Morgen stand Bryan durch. Aber die Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    Die Putzfrau hatte Streifen an der Wand entdeckt. Sie schlug Alarm und zog an dem losen Regal im Kabuff. Auf die Stationsschwester machte das allerdings keinen besonderen Eindruck.
    Die Morgentoilette war längst vorbei. Die Simulanten hatten in einer Mischung aus Erleichterung und Boshaftigkeit zu Bryan hinüber geschielt, als er mit steifen Schritten in den Duschraum ging, um die Spuren der nächtlichen Prügel von Armen, Händen, Hemd und Körper abzuwaschen.
    Nur die Risse an den Fingerspitzen, die er davongetragen hatte, als er versuchte, sich durch das Fenster zu zwängen, hatte er nicht einfach abwaschen können. Einem der Pfleger waren die Verletzungen aufgefallen. Auf Bryan deutend, hatte er seine Ablösung über seine Beobachtung informiert.
    Und James sah, dass Bryan das mitbekam.
     
    Im Laufe des Vormittags tauchte der Sicherheitsoffizier schließlich auf. Als er die Patienten der Reihe nach untersuchen sollte, zeigte ihm der Pfleger Bryans Hände. Bryan nickte nur und lächelte. Wie Igelstachel ragten aus den blutigen Fingerspitzen einzelne Holzsplitter. Der Pfleger runzelte die Stirn und schüttelte Bryans Unterarme, als hielte er einenWelpen im Nacken. Bryan machte sich frei und schlug die Hände mehrmals fest an die Fensterläden hinter sich, wobei er wie in Trance die Augen schloss.
    Der Offizier manifestierte seine Autorität so vernehmlich, dass alle zusammenzuckten. Wutentbrannt packte er Bryan am Nachthemd und schleuderte ihn zu Boden. »Ich werde dich lehren, uns zum Narren zu halten!«, schrie er und zwang Bryan, stramm zu stehen. Der erwartete mit hängenden Schultern sein Schicksal.
    James wusste, dass Bryan um sein Leben kämpfte.
    Der Offizier unterzog Bryan einer gründlichen Leibesvisitation. Das mehr graue als weiße Nachthemd war zerknittert und nach der gründlichen Morgenwäsche noch feucht. Der Wärter zuckte die Achseln. »Ich glaube, er hat es zum Waschen nicht ausgezogen«, sagte er.
    Statt den Hemdenzipfel fallen zu lassen, zog ihn der Offizier weiter hoch. Behutsam, fast zärtlich nahm er Bryans Hoden und sah Bryan dabei freundlich ins Gesicht. »Haben Sie Heimweh bekommen, Herr Oberführer? Sie können sich mir ruhig anvertrauen. Es wird Ihnen nichts passieren.« So stand er einen Moment und sah Bryan in die Augen, ohne seinen Griff zu lösen.
    »Und natürlich verstehen Sie nicht, was ich sage, Herr Oberführer, nicht wahr?«, fuhr er fort.
    Als der Offizier fester zudrückte, sah James hinter dem Schmerz in Bryans Gesicht Ohnmacht und Verwirrung. Er wusste, dass Bryan die Fragen ebenso wenig verstand wie der umnachtete Arno von der Leyen, für den man ihn hielt. Was in diesem Augenblick aber vielleicht auch das Beste war.
    Dass der Patient so gar nicht reagierte, ärgerte den Offizier. Aber es verunsicherte ihn auch.
    Als er zum fünften Mal fragte, packte er so fest zu, dass Bryan aufschrie und sich übergab. Der Offizier ließ blitzschnell los und trat einen Schritt zur Seite. Auf Bryans Brüllenhin kam ein Pfleger angerannt und wischte den Fußboden auf.
    Auch das Nachbarbett hatte Erbrochenes abbekommen. Einer der Patienten verließ sein Bett und ging mit ausgestrecktem Zeigefinger an dem beschmutzten Bett vorbei. Dabei deutete er immerzu auf die Außenwand.
    James wusste nicht viel von ihm. Er hieß Peter Stich und hatte rote Augen.
    Jetzt rettete er Bryan das Leben.
    Der Sicherheitsoffizier wollte schon seine Hand wegschlagen, sah dabei aber doch dem Finger nach. Hinter Bryan, der zusammengekrümmt am Fenster stand, hatte sich der Fensterladen halb geöffnet. An der Kante verschmolzen lange braune Striche mit den Fasern des hellen Holzes. Der Offizier trat näher, befühlte das raue Holz und nahm daraufhin Bryans Fingerspitzen noch einmal in Augenschein. Abrupt machte er auf dem Absatz kehrt, schubste den Rotäugigen beiseite und verließ das Krankenzimmer.
    Bryan bekam eine

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