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Das alte Haus am Meer

Das alte Haus am Meer

Titel: Das alte Haus am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wentworth
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Alicia schicklich gewesen wäre,
als Konkurrentin aufzutreten.
Mit schlenkerndem Schläger kam sie zurück und blickte
ihn mit funkelnden Augen an.
»Was siehst du mich so an? Ich hasse dich!«
Sein Lächeln wurde breiter.
»Ich dachte gerade, dass du gar nicht wie eine Witwe
aussiehst.«
Da musste sie lachen.
»Meinst du, ich sollte die Flagge auf Halbmast setzen?« »Ganz und gar nicht. Du gefällst mir, so wie du bist.« »Da bin ich mir manchmal nicht so sicher, Rafe.« »Ich vergöttere dich.«
Alicia schüttelte den Kopf.
»Du vergötterst niemanden. Du bist in dich selbst und in
Tanfield verliebt. Du magst Dale, Lisle magst du nicht.
Und manchmal glaube ich, du hasst mich.«
Er legte den Arm um ihre Taille, kam mit seinen Lippen
nahe an ihr Ohr und sagte leise und verführerisch: »Das glaubst du doch alles selbst nicht.«
»Nicht? Ich denke, genauso ist es.«
Er legte seine Wange an ihre.
»Liebling!«
Sie sagte: »In Wirklichkeit hasst du mich.«
»Ja – so.«
Ärgerlich entwandt sie sich ihm und brach dann in
Lachen aus.
»Du versuchst, mich zu verführen, weil du weißt, dass es
dir nicht gelingt. Was würdest du wohl tun, wenn ich dir
plötzlich in die Arme fallen würde?«
»Versuch’s.«
»Nicht in der Öffentlichkeit.« Sie lachte erneut. »Du bist
wirklich ein Narr, Rafe. Weißt du, irgendwann wird man
dich ernst nehmen, und das wird dir gar nicht gefallen.« Ein seltsamer Ausdruck huschte über sein Gesicht. »Also gut, fangen wir doch gleich damit an. Ganz im
Ernst, warum sagst du, ich mag Lisle nicht?«
Spöttisch antwortete sie:
»Weil es so ist, Schätzchen.«
Der Ausdruck verstärkte sich. Er war echt bekümmert. »Aber ich mag sie, ich mag sie sogar sehr. Ich würde
Dales Frau immer mögen. Aber Lisle würde ich mögen,
auch wenn sie nicht seine Frau wäre. Sie ist genau mein
Typ, blond und groß. Warum sollte ich sie nicht mögen?« »Weil sie Tanfield nicht mag«, erwiderte Alicia. Rafe lachte.
»Mir geht’s genauso. Da haben wir schon eine
Gemeinsamkeit.«
Alicia nickte.
»Du magst Tanfield nicht, das stimmt, du liebst es.« Er schüttelte den Kopf.
»Als Kind wahrscheinlich. So ein riesiger Klotz, das ist
etwas, was einem Kind gefällt. Aber mit der Zeit denkt
man dann etwas praktischer. Kein Mensch möchte heute
mehr ein Haus von dieser Größe, das führt unweigerlich in
den Ruin. Sieh dir doch die Familiengeschichte an. Fünf
der letzten sieben Jerninghams haben ziemlich
vermögende Erbinnen geheiratet, und wo stehen wir jetzt?
Ich habe keinen Penny. Dale wäre ohne Lydias Geld
bankrott. Das hat ihn gerettet, aber Tanfield hat alles
verschluckt, und jetzt öffnet es seinen Rachen und will
alles, was Lisle hat.«
»Sie hasst das Schloss«, sagte Alicia. »Sie will, dass er
es verkauft.«
»Das ginge mir genauso«, sagte Rafe. »Es ist das einzig
Vernünftige. Das Herrenhaus ist schon genauso lange in
Familienbesitz. Es ist viel wohnlicher und meiner Ansicht
nach auch schöner. Wenn Dale nur einen Funken Verstand
hätte, würde er das Angebot von Tatham annehmen; er
wird es nicht ewig aufrechterhalten. Aber wenn es um
Tanfield geht, setzt bei Dale leider der Verstand aus. Wir
leben seit fünfhundert Jahren hier, und er glaubt, dass wir
es noch einmal fünfhundert Jahre durchhalten. Dafür ist
ihm jedes Opfer recht.«
Alicia war erschrocken. Rafe meinte es tatsächlich ernst.
So ernst, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. Gegen ihren
Willen beeindruckte er sie ein bisschen. Sie drehte sich um
und sah zum Schloss hinüber. In den Turmfenstern spiegelte sich die Sonne. Mehr war nicht zu sehen. Die lange Fassade mit dem Portikus aus dem achtzehnten Jahrhundert, zwei nach vorne verlaufende Flügel, die einen gepflasterten Hof begrenzten, in dem Steinlöwen einen Seerosenteich mit Springbrunnen bewachten – all
das war nicht zu sehen, aber es war ihr nur allzu vertraut. »So wie du redest, ist es wie ein Moloch.«
»Mein Schatz, dem Moloch wurden Menschenopfer
dargebracht. So gierig ist Schloss Tanfield sicher nicht.«
    5

    Die beiden großen Salons von Schloss Tanfield gingen auf eine sehr niedrige Terrasse, von der breite, flache Stufen zu dem berühmten italienischen Garten hinunterführten. Lisle Jerningham gefiel er nicht – ein Hektar gezierter, geometrischer Formen, hart, formal, begrenzt von Zypressen und Statuen; die Blumen wie geleckt. Dahinter begann ein Gelände, in dem die Natur zwar noch immer gebändigt, wo aber immerhin Gras und Bäume gestattet waren. Zuerst die sorgfältig

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