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Das alte Kind

Das alte Kind

Titel: Das alte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Beck
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aufgelegt hatte.
    Sie fand nichts. Es gab zwar einige Dr. Lloyds in Edinburgh, aber zu keinem passte die Telefonnummer. Vielleicht war es eine Durchwahl oder eine Art Geheimnummer? Das machte die Sache nur interessanter.
    Es dauerte nicht lange, und Mòrags Handy klingelte. Da sie die Nummer erkannte, antwortete sie mit: »Fiona Hayward, hallo?«
    »Dr. Lloyd. Guten Abend, Fiona. Wie geht es Ihnen?«
    Sie hörte einen gepflegten englischen Oberschichtakzent. Etwas dahinter erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie arbeitete lange genug mit Schauspielern, um zu hören, wann ein Akzent einstudiert war, egal, wie perfekt er auch sein mochte. Wieder so ein Aufsteigertyp, der seine Herkunft verleugnen will, dachte sie. Wahrscheinlich untere Mittelschicht, mit Stipendium auf eine Privatschule gekommen, sich den Akzent der Mitschüler penibel antrainiert, anschließend – wieder mit Stipendium – in Oxbridge studiert…Oh ja, sie kannte solche Typen.
    Mòrag behauptete, es ginge ihr ganz gut, und wann sie denn nun einen Termin vereinbaren konnten. Er nannte ihr eine Adresse nahe der Meadows und bat sie um Terminvorschläge.
    »Gleich morgen früh?« Sie wollte auf keinen Fall zu viel Zeit ver streichen lassen aus Angst, Fionas Tante könnte diesen Dr. Lloyd anrufen. Oder am Ende noch Fiona selbst. Er schien die Dringlichkeit in ihrer Stimme gehört zu haben.
    »Wenn Sie das Bedürfnis haben, können Sie auch gleich kommen. Das ist kein Problem. Ich kann es einrichten. Sagen wir in anderthalb Stunden?«
    Und Mòrag sagte zu. Perfekt. Sie würde den Termin wahrnehmen. Als Fiona. Und um Fiona und diese Tante würde sie sich später kümmern.
    Dank der Adresse landete sie nun im Internet einen Treffer: Dr. Jack Lloyd leitete eine Privatklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Fiona wollte – oder sollte? – also wieder eine Therapie machen. Seit sie zusammenwohnten, war sie bei keinem Therapeuten gewesen. Aber vorher, das wusste Mòrag, hatte Fiona einige Therapeuten verschlissen. Ohne erkennbaren Erfolg.
    Mòrags Herz schlug rasend schnell. Es war zwar nicht das erste Mal, dass sie sich für Fiona ausgegeben hatte, aber diese Sache war viel riskanter als alles, was sie vorher gemacht hatte. Diesmal konnte sie viel leichter erwischt werden. Wegen dieser Tante. Aber selbst wenn die beiden sie erwischen würden – was dann? Sie freute sich im Grunde schon auf die dummen Gesichter von Fiona und der Frau. Sie würde ihnen sagen: Ihr habt mich außen vor gelassen, und was hat es euch genützt? Nichts. Ich war schon vor euch da. Wie der Hase und die Schildkröte! Mòrag war gespannt, wie lange dieses Spiel funktionieren würde.
    Anderthalb Stunden. Wenn sie zu Fuß ging, wäre sie in einer halben Stunde dort. Es war längst dunkel, aber es regnete nicht mehr. Sie fuhr nicht gern mit dem Bus, weil ihrer Meinung nach nur seltsame Leute Bus fuhren, und ein Taxi konnte sie sich im Moment nicht leisten. Dazu war ihre Miete zu hoch – sie würde es Fiona gegenüber niemals zugeben, aber sie hatte echte Probleme, ihren Anteil jeden Monat zu zahlen, und ihre Rücklagen waren längst aufgebraucht. Um bei Fionas Lebensstil bis ins kleinste Detail mithalten zu können, hatte sie in so vieles investieren müssen: Make-up, Kleidung, Bücher, Musik, Restaurants, einfach alles. Und sie hatte nicht genügend Aufträge von den Fernsehsendern, dazu gab es zu viele, die beim Film waren, zu viele, die dazugehören wollten. Wie sie. Mòrag würde also laufen. Sie sehnte sich danach, mal wieder flache Schuhe tragen zu können, aber das konnte sie nicht. Fiona würde sich nicht einmal tot in flachen Schuhen sehen lassen. Sogar jetzt, da sie sich kleidete wie eine zukünftige Nonne, trug sie Stiefeletten mit ungefähr zehn Zentimetern Absatz. Mòrag hatte ein schwarzes, sehr kurzes Kleid mit langen Ärmeln angezogen, dazu schwarze, blickdichte Strumpfhosen. Typischer Fiona-Look. Sie entschied sich für nicht ganz so halsbrecherische Pumps, zog sie aber gleich wieder aus, weil sie Angst hatte, es könnte wieder anfangen zu regnen. Sie quetschte deshalb ihre Waden in kniehohe Stiefel mit einem dünnen Pfennigabsatz. Ihre Beine wollten einfach nicht schlanker werden, egal, was sie tat. Sie hungerte und hungerte und nahm so ziemlich überall ab, außer an den Beinen. Nichts zu machen.
    Mòrag entschied sich für einen Mantel aus grün-goldenem Brokatstoff. Er gehörte eigentlich Fiona, aber sie waren übereingekommen, dass sich jede jederzeit am Kleiderschrank

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