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Das alte Kind

Das alte Kind

Titel: Das alte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Beck
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Was hast du davon?
    Ich werde meine Schwester suchen, sagte Junior.
    Deine Schwester haben wir gerade beerdigt. Damit ließ er Junior stehen. Was der sich nur dachte. Dieser Junge war für ihn unergründlich. Er verstand ihn einfach nicht. Er war ihm schon als Kind fremd gewesen. Sollte er doch machen, was er wollte, solange er ihn nur in Ruhe ließ.
    Harriet nahm ihn in die Arme und küsste ihn auf die Wange. Gehen wir, sagte sie. Es gibt heute noch so viel zu tun, all die vielen Gäste. Und Dr. Ingram braucht noch ein paar Unterschriften, er hat alles für deine Stiftung vorbereitet, du wirst dafür die Ehrendoktorwürde von Harvard bekommen. Frederik nickte.
    Sie gingen langsam vom Friedhof. Vor den Toren standen die Fotografen, dahinter die Schaulustigen. Eine schwarze, ruhige Menge. Sie alle trugen Blumen und Gestecke und Spruchbänder. Sie würden alles am Grab von Fliss niederlegen, und wenn die Friedhofsverwaltung sie nicht reinließ, würden sie die Sachen vor den Toren ablegen. Fliss war eine Berühmtheit ihrer Zeit gewesen. Ein tolles Kind. Frederik blieb stehen und zog ein Taschentuch heraus, um sich die Tränen aus den Augenwinkeln zu tupfen. Ein Blitzlichtgewitter begleitete diese Geste. Er nickte nach rechts und nach links und folgte seiner Frau zu der schwarzen Limousine.

22.
     
    »Und Sie glauben, diese Frau, zu der Ihr Bekannter nun unterwegs ist, sei Ihre Mutter?«, fragte Dr. Lloyd.
    Fiona nickte und gab ihm einen Ausdruck, den sie von Carla Arnims Foto gemacht hatte. Er sah sich das Bild lange an, dann sagte er: »Die Ähnlichkeit ist in der Tat vorhanden.«
    Fiona ließ ihren Blick durch den Raum gleiten. Ein dicker Teppich, die Wände dunkelrot gestrichen. Hohe Bücherregale, ein Schreibtisch, zwei Besucherstühle. Sie wollte kein Therapiegespräch, hatte sie gesagt, sie wollte sich nur unterhalten. Deshalb saßen sie jetzt in seinem Büro. Sie registrierte, dass keine Familienfotos zu sehen waren. Und dass er keinen Ehering trug. Er war attraktiv, es gab keinen Grund, warum er nicht verheiratet sein sollte. Er war auch nicht schwul. Fiona erkannte schwule Männer sofort, egal, wie lange sie schon verheiratet waren, wie viele Kinder sie gezeugt haben mochten. Vielleicht ein Mann, der sich nicht festlegen wollte?
    »Wir sehen uns zum Verwechseln ähnlich«, sagte sie und lächelte.
    »Je nach Aufnahmewinkel ähneln sich Menschen auf Fotos, die im wirklichen Leben gar keine Ähnlichkeit miteinander haben«, gab Dr. Lloyd zu bedenken. »Ist dies das einzige Foto, das sie von ihr gesehen haben? Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich will nur nicht, dass Sie sich zu große Hoffnungen machen.«
    »Mache ich mir nicht.«
    Dr. Lloyd sah sie einen Moment lang schweigend an. Dann sagte er: »Wie wichtig ist es Ihnen, sich über Ihre Herkunft zu definieren?«
    Sie verdrehte die Augen. »Ich bin nicht hier, um tiefenpsychologische Gespräche zu führen. Sie sagten, wir reden, worüber ich reden will. Zwei Dinge: Erstens, ich fühl mich in Ihrer Klinik noch nicht besonders wohl. Zweitens: Ich bin aufgeregt, weil ich meine echten Eltern gefunden habe. Jedenfalls glaube ich das, und ich wäre, ehrlich gesagt, ganz glücklich, wenn Sie mich eine Weile in diesem Glauben ließen.« Sie lächelte wieder. »Selten genug, dass ich mich mal über was freue.«
    »Umso tiefer könnte die Depression sein, in die Sie fallen, wenn Sie…«
    »Dagegen haben wir doch Tabletten, nein?« Sie lachte. »Ich weiß, worauf ich mich einlasse, keine Sorge. Ich will einfach nur ein bisschen träumen und mich freuen.«
    Er legte den Kopf zur Seite. »Wovon träumen Sie?«
    Sie zuckte die Schultern. »Davon, endlich irgendwo anzukommen?«
    »Und wenn Ihre biologischen Eltern Ihnen genau das nicht geben können?«
    »Warum sollten sie das nicht? Ich hatte nicht vor, bei Ihnen einzuziehen und Taschengeld zu kassieren. Ich will nur wissen, wer ich bin. Und wir zwei hatten vereinbart, kein Therapiegespräch zu führen.« Sie hob scherzend eine Hand. »Jetzt bin ich dran mit Fragen. Warum sind Sie nicht verheiratet?«
    »Wer sagt Ihnen, dass ich es nicht bin?«
    »Alles in diesem Raum inklusive Ihnen.«
    Lloyd lachte. »Gut. Gewonnen. Ich bin nicht verheiratet. Ich halte nicht sehr viel von der Ehe. Sie etwa?«
    Fiona spitzte die Lippen. »Doch, warum nicht? Wenn sich zwei Menschen wirklich lieben?«
    »Dann müsste ich Sie jetzt fragen, warum Sie nicht verheiratet sind. Aber das darf ich nicht, weil Sie sich dann wieder therapiert

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