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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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gelernt, nicht jedoch mit dem Ereignis selbst.
    Nur mit einem Finger berührte sie noch einmal den Brückenpfosten und spürte, wie die Schutzzauber sich durch die Holzmaserung wanden. Sergeant Gerrens Botschaft würde für jeden Magier so lange zu hören sein, bis Pfosten und Brücke verrotteten oder von den Fluten davongerissen wurden.
    Sabriel holte erneut tief Atem, beruhigte ihren Magen und zwang sich, noch einmal zu lauschen.
    Einer der Größeren Toten war im Leben zurück! Ihm Einhalt zu gebieten war die Pflicht ihres Vaters. Es war fast sicher, dass das Erscheinen des Größeren Toten und Abhorsens Verschwinden zusammenhingen.
    Noch einmal erklang die Botschaft, und Sabriel lauschte. Dann hielt sie ihre Tränen zurück und schritt weiter, den Pfad empor, fort von der Brücke zum Spaltkamm und zum zerschmetterten Charterstein.
    Die Felsen wichen zurück. Am Himmel funkelten die ersten Sterne, während der Wind stärker blies und die Schneewolken vor sich her in den Westen peitschte. Der Vollmond schob sich hervor und leuchtete hell, bis er Schatten auf den schneebefleckten Boden warf.

     

5
    Sabriel brauchte kaum länger als eine halbe Stunde zügigen Aufstiegs, bis sie den Sattel des Spaltkamms erreichte, obwohl der Pfad immer steiler und schwieriger wurde. Der inzwischen kräftige Wind hatte den Himmel von Wolken befreit und der Mondschein verlieh der Umgebung Gestalt und Konturen. Doch ohne die Wolken war es viel kälter geworden.
    Sabriel war nahe daran, sich einen Wärmezauber zu gönnen. Sie war jedoch müde, und die Anstrengung, diese Magie zu wirken, mochte sie mehr Kraft kosten, als die Wärme ihr verliehen hätte. Stattdessen machte sie Halt und schlüpfte in ein mit Fell gefüttertes Ölzeug, das ihr Vater abgelegt hatte. Es war ihr zu groß und ziemlich abgetragen; deshalb musste sie ihren Schwertgürtel und das Bandelier mit den Glocken neu umbinden. Das Fell hielt allerdings zweifellos den Wind ab.
    Nachdem Sabriel sich wärmer fühlte, kämpfte sie sich die letzten Serpentinen hinauf. Der Hang war hier so steil, dass die Wegemacher Stufen in den Felsen gehauen hatten. Sie waren inzwischen so abgetreten und bröckelig, dass immer wieder Stücke unter Sabriels Schuhen wegbrachen.
    Schließlich aber erreichte sie den Sattel. Sie hielt den Kopf gesenkt und suchte im Mondschein nach einem festen Teil der nächsten Stufe. Ihr Fuß war schon halb in der Luft, ehe ihr bewusst wurde, dass da keine weitere Stufe mehr war.
    Der Spaltkamm lag vor ihr. Es war ein Sattel, wo mehrere Felshänge zusammenliefen und ein kleines Plateau mit einer leichten Mulde in der Mitte bildeten. Schnee lag darin, eine dicke, zigarrenförmige Wehe, die sich im Mondschein glitzernd vom Gestein abhob. Es gab keine Bäume, ja, überhaupt keine Vegetation, doch genau in der Mitte der Wehe warf ein dunkelgrauer Stein im Licht des Mondes einen langen Schatten. Der Stein war doppelt so breit wie Sabriel und drei Mal so hoch, und er sah unversehrt aus, bis sie näher ging und den gezackten Spalt sah, der durch seine Mitte verlief.
    Sabriel hatte noch nie einen echten Charterstein gesehen. Angeblich ähnelten sie den Steinen der Schutzmauer, durch die, quecksilberähnlich, magische Zeichen liefen, die sich bildeten, um sich kurz danach wieder aufzulösen und sich dann erneut zu formen, in einer nie endenden Geschichte, die von der Erschaffung der Welt erzählte.
    Es gab Schutzzeichen auf diesem Stein, doch sie waren reglos, wie starr gefroren. Tote Zeichen. Bedeutungslose Inschriften, in leblosen Stein gemeißelt.
    Es war nicht das, was Sabriel erwartet hatte. Irgendwie hatte sie angenommen, ein Blitz hätte den Stein gespalten. Leider erinnerten vergessene Lektionen sie zu spät daran, dass dem nicht so war. Nur eine furchtbare Macht Freier Magie vermochte einen Charterstein zu zerschmettern.
    Sie trat näher an den Stein heran. Schreckliche Angst stieg in ihr auf und warnte sie vor Schlimmerem. Der Wind hier oben war stärker und kälter, und das Ölzeug erschien ihr plötzlich weniger warm, als es Erinnerungen an ihren Vater aufleben und Sabriel an bestimmte Seiten aus dem Buch der Toten denken ließ – und an Gruselgeschichten, die sie und ihre Mitschülerinnen sich fern des Alten Königreichs in der Dunkelheit ihres Schlafsaals erzählt hatten. Zusammen mit diesen Erinnerungen kam die Furcht, bis Sabriel sie mit aller Willenskraft verdrängte und sich zwang den Stein genauer zu betrachten.
    Dunkle Flecken verbargen einige

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