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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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hielt sich mühsam am gleichen Fleck und schaute sich wieder um, ehe sie ihr Schwert in die Scheide schob und in eine der Taschen ihrer wollenen Knickerbocker langte. Die Glocke Saraneth behielt sie in der Linken. Mit der Rechten zog sie ein Papierschiffchen hervor und öffnete es, immer noch einhändig, zu seiner richtigen Form. Es war wundervoll weiß, beinahe leuchtend in diesem Licht, und besaß einen kleinen, makellos runden Fleck am Bug, wo Sabriel behutsam einen Tropfen Blut von ihrem Finger hatte darauf fallen lassen.
    Sabriel legte es flach auf ihre Hand, hob es an die Lippen und blies darauf, als wollte sie eine Feder wegpusten. Es flog langsam und anmutig von ihrer Hand in den Fluss. Sabriel blies weiter, als das Schiffchen fast unterging, und atmete erleichtert auf, als es sich doch noch aufrichtete und mit der Strömung davonschwamm. Sekunden später war es außer Sicht auf seinem Weg zum Zweiten Tor.
    Es war das zweite Mal in ihrem Leben, dass Sabriel ein solches Papierschiffchen zu Wasser gelassen hatte. Ihr Vater hatte ihr gezeigt, wie man diese Schiffchen fertigen musste, die nur im äußersten Notfall eingesetzt werden sollten. Auf keinen Fall öfter als dreimal alle sieben Jahre, hatte er gesagt, sonst müsse man dafür bezahlen, und zwar einen viel höheren Preis als nur einen Tropfen Blut.
    Sabriel wusste also, was auf sie zukam. Trotzdem, als der Lärm des Zweiten Tores für einen Augenblick stockte – zehn oder zwanzig oder vierzig Minuten später; die Zeit war unsicher im Tod –, zog sie ihr Schwert. Sie hatte den Klöppel der Glocke losgelassen, und Saraneth wartete darauf, gehört zu werden. Das Tor hatte sich für kurze Zeit still verhalten, weil jemand… etwas… aus dem tiefen Reich des Todes zurückkehrte.
    Sabriel hoffte, es würde jene sein, die sie mit dem Papierschiffchen eingeladen hatte.

     

6
    Chartermagie auf dem Spaltkamm. Es war wie ein wundersamer Duft, den der Wind dem Ding brachte, das in einer der Höhlen im Berg lauerte, einige Meilen westlich des gespaltenen Chartersteins.
    Einst, als es unter der Sonne gelebt hatte, war es menschlich oder zumindest den Menschen ähnlich gewesen. Doch dieses Menschliche war in den Jahrhunderten verloren gegangen, die es in den kalten Gewässern des Todes zugebracht hatte. Es hatte sich mit aller Macht gegen die Strömung gewehrt und damit einen unglaublichen Willen bewiesen, wieder zu leben. Es war ein Wille, von dem es gar nicht gewusst hatte, dass es ihn besaß, ehe ein Jagdspeer von einem Felsen abprallte und ihm die Kehle aufschlitzte – gerade tief genug für ein paar Minuten verzweifelten Überlebenskampfes.
    Durch reine Willenskraft hatte es sich dreihundert Jahre auf der Lebensseite des Vierten Tores gehalten, hatte an Macht gewonnen und die verschiedenen Seiten des Todes kennen gelernt. Es lauerte geringeren Geistern auf, diente größeren oder ging ihnen aus dem Weg. Stets klammerte das Ding sich ans Leben. Schließlich kam seine Chance, als ein mächtiger Geist von jenseits des Siebenten Tors ausbrach und durch jedes der Oberen Tore krachte, bis er gierig ins Leben gelangte. Hunderte von Toten waren gefolgt, und das Ding hatte sich der Menge angeschlossen. Ein schreckliches Durcheinander war entstanden, und an der Grenze zwischen Leben und Tod hatte es einen mächtigen Feind gegeben, doch in dem Wirrwarr war es dem Ding geglückt, sich vorbeizuschleichen und triumphierend ins Leben zu gelangen.
    Wo immer das Ding erschien, gab es viele Körper, die erst vor kurzem verlassen worden waren. Es belegte eine der Leichen mit Beschlag, belebte sie und verschwand, so schnell es konnte. Bald darauf fand es die Höhlen, in denen es nun hauste. Es beschloss sich selbst einen Namen zu geben: Thralk. Ein schlichter Name, den auch eine teilweise verweste Zunge auszusprechen vermochte. Ein Männername. Thralk konnte sich nicht erinnern, was vor vielen Jahrhunderten sein ursprüngliches Geschlecht gewesen war, doch sein neuer Körper war zweifellos der eines Mannes.
    Es wurde zu einem Furcht erregenden Namen in den wenigen kleinen Siedlungen, die es in dieser Gegend des Grenzlandes noch gab und die Thralk heimsuchte, um sich des menschlichen Lebens zu bemächtigen, das er benötigte, um sich auf der lebenden Seite des Todes halten zu können.
    Wieder flammte Chartermagie auf dem Spaltkamm auf. Thralk spürte, dass sie stark und rein war – aber schwach gewirkt. Die Kraft der Magie machte ihm Angst, doch der spürbare Mangel an Erfahrung

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