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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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die grimm’gen Wandrer auf.
    Ein breiter See, ein schäumender Fluss
    Hemmt der wandelnden Toten Fuß.
    Auch Feuer ist ein Freund dir in der Not –
    Wenn beides versagt, ist es dein Tod!
    Noch während ihm diese Worte durch den Kopf gingen, blickte Sam zur Sonne. In ungefähr einer Stunde würde es dunkel sein. Er hielt nach fließendem Wasser Ausschau – einem Bach oder Fluss – und sah eine Spiegelung, Silber im Schatten, nahe dem Waldrand. Weiter entfernt, als ihm lieb war.
    Er lenkte Sprosse darauf zu, während Furcht in ihm aufstieg. Er vermochte die Tote Kreatur zwar nicht zu sehen, aber sie war nahe. Sam spürte ihre Präsenz wie eine klamme Berührung auf der Haut. Seine Knie zuckten: der Reflex des überwältigenden Bedürfnisses, Sprosse zum Galopp anzutreiben. Aber sie befanden sich immer noch am Hang, auf unebenem Boden. Wenn Sprosse strauchelte und auf ihn stürzte, würde er sich nicht befreien können und war eine leichte Beute für den Toten…
    Nein, lieber nicht daran denken. Sam sah sich wieder um, blinzelte in die tief stehende, gelbrote Sonne. Die Kreatur war irgendwo hinter ihm… nein, rechts…!
    Sams Furcht wuchs, als ihm schlagartig bewusst wurde, dass es zwei Kreaturen waren, vielleicht sogar mehr. Es musste sich um Schattenhände handeln, die im Schutz des Schattens von einem Felsen zum nächsten huschten, so dass es fast unmöglich war, sie zu sehen, bis sie angriffen.
    Nervös langte Sam hinter sich und öffnete die Satteltasche. Wenn er nicht rechtzeitig fließendes Wasser erreichte, waren die Glocken sein einziger Schutz gegen Schattenhände – kein allzu guter Schutz, denn er wusste ja nicht einmal, wie er sie richtig einsetzen musste, ohne dass sie womöglich ihn selbst beeinflussten.
    Sam spürte, wie einer der Toten sich wieder bewegte, und erschrak über die beängstigende Schnelligkeit der Kreatur. Sie war unmittelbar neben ihm; trotzdem konnte er sie nicht sehen, nicht einmal im hellen Sonnenschein.
    Plötzlich nahm er eine Bewegung über sich wahr und blickte hoch. Ein schwarzer Fleck schwebte dicht außer Pfeilschussweite über ihm, und nur wenige Fuß entfernt befand sich ein zweiter.
    Es waren gar keine Schattenhände, sondern Blutkrähen! Und wo sich zwei befanden, gab es zweifellos noch viele weitere. Blutkrähen wurden immer in Schwärmen aus gewöhnlichen Krähen erschaffen, die mit Ritual und Zeremonie getötet wurden und denen man dann winzige Fragmente des Geistes eines einzigen Toten einflößte. Durch diesen zerstreuten, jedoch unvermischten Geist flogen die verwesenden Vögel dann mit Hilfe der Kraft Freier Magie und töteten vermittels ihrer großen Zahl.
    Doch als Sam den Himmel und den Horizont absuchte, konnte er nur zwei Blutkrähen sehen. Welcher Nekromant würde seinen Zauber an zwei Blutkrähen vergeuden? Selbst ein mächtiger Krieger musste den Angriff eines Schwarms Blutkrähen fürchten, wenn hundert oder mehr scharfe Schnäbel nach seinen Augen und dem Hals hackten, doch ein oder zwei Krähen stellten kaum eine Gefahr dar.
    Außerdem war es ungewöhnlich, dass sie im Sonnenlicht flogen, denn der Zauber, der ihnen Kraft verlieh, verlor bei Hitze und Licht seine Wirkung, und ihre körperliche Gestalt wurde vom Wind zerfetzt.
    Außer, überlegte Sam plötzlich, es sind zwei Blutkrähen, die sich die tödliche Kraft eines ganzes Schwarms teilen – eine gewaltige Kraft, die gewöhnlich auf Hunderte von Krähenkadavern verteilt war. In diesem Fall wäre ihre Ausdauer, selbst im hellen Sonnenlicht, viel größer. Und sie konnten auch für andere Zwecke als zum Angriff eingesetzt werden. Etwa zum Beobachten, dachte Sam grimmig, als keiner der beiden Totenvögel näher zu kommen versuchte. Sie kreisten langsam über ihm, nachdem sie ihn wahrscheinlich für einen Überfall durch andere Tote während der Nacht ausgewählt hatten.
    Wie zur Bestätigung ließ eine der beiden Blutkrähen ein höhnisches Krächzen hören. Dann wandte sie sich nach Süden und verlor dabei einige ihrer verrottenden Federn, doch sie bewegte sich ohnehin viel mehr durch Magie als durch Flügelschlag.
    Es hatte ganz den Anschein, als wäre diese eine Blutkrähe ein Kurier, während die andere als Beobachter diente, die Sam in großer Höhe folgen sollte, wohin er sich auch begab.
    Flüchtig überlegte er, ob er diese Blutkrähe mit einem Zauber vernichten sollte, doch sie war zu weit entfernt und offenbar angewiesen, vorsichtig zu sein. Außerdem war Sam von seiner Beinverletzung

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