Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
Vom Netzwerk:
noch geschwächt und wusste, dass er seine Kräfte für die Nacht aufsparen musste.
    Ein wachsames Auge auf den schwarzen Punkt hoch über ihm, spornte Sam sein Pferd an. Der Bach sah von hier aus nicht sehr verheißungsvoll aus, doch ein wenig Schutz würde er wohl bieten. Nach kurzem Zögern holte Sam das Glockenbandelier hervor und legte es an. Das Gewicht der Glocken und ihrer Macht drückte schwer auf ihn und raubte ihm schier den Atem. Doch falls es zum Schlimmsten kam, würde er versuchen, wenigstens die kleineren Glocken einzusetzen und sich dabei nach den Anweisungen seiner Mutter zu richten, die sie ihm vor langer Zeit zur Vorbereitung auf seine Ausbildung zum Abhorsen erteilt hatte. Deshalb wusste Sam, dass er zumindest Ranna schwingen konnte, ohne befürchten zu müssen, unfreiwillig in den Tod gezogen zu werden.
    Eine drängende Stimme in seinem Innern sagte ihm, dass es selbst jetzt noch nicht zu spät wäre, das
Buch der Toten
aufzuschlagen und mehr über sein Geburtsrecht zu erfahren, das ihn retten könnte. Doch nicht einmal die Furcht vor einem Angriff durch Tote genügte, ihn seine Angst vor dem Buch überwinden zu lassen. Allein durch das Lesen könnte er in den Tod gezogen werden. Nein – es war besser, die Toten mit dem geringen Wissen, das er besaß, im Leben zu bekämpfen, als sich ihnen im Tod zu stellen.
    Sam glaubte hinter sich ein Kichern zu hören, ein unterdrücktes Lachen, das nicht wie Mogget klang. Seine Hand griff instinktiv zum Schwert und er fuhr herum. Doch da war nichts und niemand. Nur die schlafende Katze in einer der Satteltaschen und das
Buch der Toten
in der anderen. Sam ließ den Schwertgriff los, an dem bereits der Schweiß von seinen zitternden Fingern klebte, und starrte wieder hinunter zum Bach. Wenn dessen Bett eben war, würde er darin weiterreiten, solange nur möglich. Mit Glück könnte er auf diese Weise westwärts bis zum Ratterlin gelangen, dem mächtigen Strom, den nicht einmal die Größeren Toten überqueren konnten.
    Von da aus, sagte eine heimliche und feige Stimme in seinem Kopf, könnte er ein Boot zum Abhorsen-Haus nehmen. Dort war er sicher. Sicher vor den Toten, sicher vor allem. Aber was, fragte eine andere Stimme, wird aus Nick und aus deinen Eltern? Und aus dem Königreich?
    Doch beide Stimmen verebbten, als Sam sich darauf konzentrierte, Sprosse den Hang hinunter in die Sicherheit des Baches zu führen.
     
    Als die Schatten der Bäume und die einbrechende Dunkelheit das letzte Tageslicht verschlangen, verlor Sam die Blutkrähen aus den Augen. Doch er spürte den Toten Geist noch immer über sich; er war jetzt näher gekommen, brauchte im Schatten der Nacht vor nichts zurückzuschrecken…
    Doch er wagte sich nicht zu nahe an das fließende Wasser heran, das zu beiden Seiten von Sams provisorischem Lager rauschte. Der Bach hatte sich als besseres Rinnsal erwiesen, da die Zeit des Frühjahrshochwassers bereits vorbei war. Das Gewässer war nur dreißig Fuß breit und seicht genug, um darin zu waten. Aber es würde trotzdem helfen, zumal Sam ein Inselchen entdeckt hatte, nicht mehr als ein schmaler Streifen Sand, an dem das Wasser zu beiden Seiten rasch vorüberströmte.
    Er hatte bereits ein Feuer entfacht, denn die Blutkrähe kreiste wieder hoch über ihm, so dass es keinen Sinn machte, sich verstecken zu wollen. Um sein Lager so sicher wie möglich zu machen, brauchte er bloß eine Schutzraute zu ziehen, die groß genug für ihn, das Pferd und das Feuer war.
    Wenn ich die Kraft dazu habe, dachte Sam, als er Sprosse beruhigte. Nach kurzem Überlegen nahm er das Glockenbandelier ab, dessen Gewicht ihm immer noch zu schaffen machte.
    Dann humpelte er vor Sprosse und stellte sich in die richtige Position, um den Schutzzauber zu wirken. Er zog das Schwert aus der Scheide und streckte es aus. In dieser Haltung atmete er viermal tief ein; dabei sog er so viel Sauerstoff in die Lungen, wie er nur konnte.
    Dann langte er nach den vier Hauptcharterzeichen, welche die Spitzen der Schutzraute bilden würden. Aus dem Fluss der nie endenden Charter formten sich in seinem Kopf Symbole. Sam hielt sie mit der Kraft seines Geistes und keuchte vor Anstrengung, als er sich daranmachte, die Umrisse des ersten Zeichens in den Sand vor sich zu ziehen – die des Ostzeichens. Als er damit fertig war, floss das Ostzeichen wie goldenes Feuer in die Klinge seines Schwertes und füllte die Umrisse im Sand mit Licht.
    Dann hinkte Sam an Sprosse und am Feuer vorbei und zog

Weitere Kostenlose Bücher