Das Amerikanische Hospital
Hélène.
Wir sind danach immer in die Kirche. Cote schloss die Augen, um sich zu erinnern. Unsere Kirche, Notre-Dame-des-Canadiens, sie hat übrigens etwas von einer Moschee. Ein riesiger, in fünf zurückweichende Säulen unterteilter Rundbogen über dem Portal, fast so hoch wie das Gebäude selbst, darin eine Rosette, und links und rechts ein Türmchen, dünn wie Minarette und irgendwie byzantinisch. Davor, rechts, die Gottesmutter, goldglänzend. Notre Dame, priez pour nous. Es stimmt schon, dass ich das Gefühl hatte, ihm nie genügen zu können. Wir wohnten im West End, und wenn uns etwas das Recht gab, dort zwischen all den Stoddards und Fletchers zu wohnen und St. Johns zu besuchen, dann waren das die militärischen Ehren meines Vaters und meines Großvaters. Und ich habe lieber gelesen und bin mit meiner Großmutter in den Wald.
Und haben heimlich Elizabeth Bishop gelauscht …
Ja, aber da wusste ich bereits, dass ich Soldat werden würde. Andernfalls hätte ich mich nie getraut. Verstehen Sie, als zukünftiger Soldat …
Ja, ich verstehe, sagte Hélène.
Sie haben wieder dasselbe Kleid an wie das erste Mal, als wir uns gesehen haben, sagte der Amerikaner.
Hélène sah schuldbewusst an sich herunter. Sie hätte sich nicht mehr erinnert, hätte sie nicht die handgestopfte Naht auf ihren Rippen gespürt. Es missfiel ihr, dass sie dasselbe Kleid wie vor zwei Jahren trug.
Mir gehen die armen Vögel nicht aus dem Kopf, von denen Sie erzählt haben, sagte sie. Die Ibisse …
Er schwieg.
Sie müssen - ich meine, auch wenn Sie sagen, die Iraker hätten kaum gekämpft - viele solcher schrecklichen Sachen gesehen haben …
Er sagte nichts, rauchte. Schließlich: Ich habe vieles vergessen, zum Glück.
Im Fernsehen sah es aus wie ein Computerspiel. Die Bomben, die Rauchwölkchen über der Wüste, die mit grünen und roten Leuchtkreisen eingerahmten Ziele … Ich habe nie geglaubt, dass ein Krieg wirklich so aussieht.
Am zweiten Tag, irgendwo in der Wüste, hatten wir unsere erste Feindberührung, sagte Cote langsam. Widerwillig tauchte er in die Erinnerung hinab und versuchte sich zunächst in die Atmosphäre zurückzuversetzen, in die Gerüche, Geräusche, Bilder. Der Lärm im Bradley, der Gestank nach Diesel und Schmieröl, die brutale Hitze, die ewig knarzenden Funk- und GPS-Geräte, der saure Schweiß.
Ich war ganz vorne. Als Captain war ich verantwortlich für eine Kompanie, hundertzehn Mann, dreizehn Bradleys, zwei Scout-Platoons. Das vorderste meldet Feindkontakt. Das übliche Bild: Hochspannungsleitungen quer durch die Wüste, Pisten, kleine befestigte Straßen, die kubusförmigen, einstöckigen Baracken aus zugemauertem Betongerippe, mit den Armierungsdrähten, die oben auf dem Flachdach aus den Pfeilern ragen. Selbstgebastelte Stromanschlüsse, Rattenkönige von Drähten, Leitungen, Kabeln. Kurze Schatten. Wir eröffneten das Feuer auf das vorderste Haus. Die Wand explodiert. Einige staubbedeckte Iraker rennen raus. Wir haben sie mit der MP abgeschossen. Dann kamen weitere mit einer
weißen Fahne, die wir entwaffnen und gefangen nehmen wollten. Du mein Gott. Es waren Kinder und alte Männer. Zerlumpte Uniformen. Uralte Waffen. Wenn das die viertstärkste Armee der Welt sein soll …
Er schüttelte den Kopf.
Er blickte auf und sah Hélène an: Ich beaufsichtige das Ganze und sehe einen der alten Männer, der fragt: Sind wir jetzt Kriegsgefangene? Allah sei Dank …
Er schüttelte wieder den Kopf. Keine fünf Meilen weiter meldet mein Scout-Platoon ein weiteres Zielobjekt. Ein gutes Dutzend Männer im Schatten eines zerschossenen Militärlastwagens. Mein Leutnant lässt das Feuer eröffnen, aber sie schießen nicht zurück. Sie schießen nicht zurück, aber sie flüchten auch nicht. Sie bleiben einfach da liegen, flach auf der Erde, man konnte es durchs Fernglas sehen. Mein Leutnant fragt an, ob er sie plattmachen soll, drüberfahren soll. Ich sage Nein. Wir stellten das Feuer ein und fuhren bis dorthin. Hélène, es war -.
Er unterbrach sich und steckte sich kopfschüttelnd eine Zigarette an. Es tut nicht gut, davon zu erzählen. Es tut niemandem gut. Lassen Sie uns wieder über Gedichte sprechen.
Was war?, fragte Hélène.
Ein Dutzend Jungs. Sie lagen ganz flach da, auf dem welligen Boden, deshalb hatten die meisten überlebt. Der ausgebrannte Mannschaftstransporter rauchte noch. Sie rührten sich einfach nicht. Als ich direkt über ihnen stand und roch, dass sie sich in die Hosen
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