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Das Amerikanische Hospital

Titel: Das Amerikanische Hospital Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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den Rauch hindurchblickend.
    Zunächst einmal Fort Leavenworth, das Command and General Staff College. Ich werde voraussichtlich zum Major befördert. Es wurde aber auch Zeit. Ich bin Soldat seit zwölf Jahren.
    Für wie lange haben Sie sich eigentlich verpflichtet?
    Wenn ich volle zwanzig Jahre mache, dann habe ich auch volle Pensionsansprüche. Das lohnt sich. Früher aufzuhören, das kostet eine Menge Geld.
    Und wenn Sie aufhören würden?
    Er sah sie an. Was wären denn die Alternativen? Literatur lehren an irgendeiner Highschool oder einem kleinen College? Wenn mich überhaupt ein College nähme … Und außerdem …
    Außerdem?
    Seit ich … seit ich nicht mehr verheiratet bin, ist die Armee sowieso meine, meine Heimat.
    Hélène sah ihn an. Was sagt die Armee eigentlich zu Ihrer Krankheit?
    Er blickte auf und sah sie kalt an, öffnete den Mund, besann sich dann aber eines Besseren und sagte: Sie versucht sie, so gut es geht, zu ignorieren. Es ist so etwas wie ein peinlicher Vorfall in der Familie. Jeder bemüht sich, ihn nicht zu erwähnen oder drumherum zu reden oder vorsichtige Scherze zu machen. Ich auch. Ich benutze auch im Gespräch oder in meinen Rapporten nie das Wort Krankheit, sondern Beschwerden. Und nur das Wort Arzt. Höchstens einmal das Wort Psychologe. Aber nie Analytiker.
    Das wäre zu peinlich?
    Mir wäre das zu peinlich. Wissen Sie, sie erkennen es ja implizit an, indem sie die Kosten tragen, und die müssen gewaltig sein. Das heißt, jeder weiß, dass es existiert, jeder weiß, dass einige Soldaten battle fatigued oder shell shocked sind, und diejenigen, die noch im Dienst sind und ausfallen, werden auch behandelt. Ohne viele Worte darum zu machen. Aber es ist nicht so, dass die Armee
das an die große Glocke hängt und einen Aufruf an alle ihre Veteranen richtet, sich doch bitte zu melden, wenn sie Albträume haben.
    Haben Sie denn noch Albträume?
    Sein Lachen ging in ein Husten über. Er räusperte sich und sagte: Nur noch einen, aber der bleibt mir treu. Kommt immer mal wieder.
    Er überlegte, ob er davon erzählen sollte. Erzählt hörte es sich womöglich lächerlich an. Es war jedes Mal eigentlich nur ein Donnerschlag, der ihn aus dem Schlaf riss, allerdings ein infernalischer Donnerschlag, eine brutale, erschütternde Attacke von Lärm, von explodierendem Brüllen, aus einem Rachen kommend, das war der Eindruck. Er erschrak jedes Mal gleichsam zu Tode, der Puls raste, und über den gesamten Körper jagten Gänsehautschauer, die eine ganze Zeit lang, auch als er schon wach und aufrecht im Bett saß, nicht nachließen. Sie kamen von dem entsetzlichen Eindruck einer Berührung im Moment des Donners. Zwei Dinge nur enthielt dieser Traum, keine Bilder, keine Handlung, keine Fratze, nur den Donnerschlag und die Berührung, die die Gänsehaut verursachte. Sprachloses Entsetzen.
    Ich träume, dass mich der Teufel holt. Oder beinahe holt. Eine Art Vorgeschmack auf die ewige Verdammnis … Er grinste schief.
    Hélène wusste nicht, was sie dazu sagen sollte.
    Werden Sie denn … wieder zurechtkommen zu Hause?, fragte sie schließlich.
    Ich werde mich zusammenreißen. Aber ich bleibe nicht lange, ich sehe zu, dass ich wieder hierherkomme.
    Ach …, sagte Hélène. Wie denn?

    Irgendetwas werden sie schon für mich haben. Vielleicht an der Botschaft …
    Hélène nickte.
    So viele haben sie nicht, die die Sprache hier sprechen. Und ich will wieder hierher. Ich habe ja nicht viel gesehen beim ersten Mal …
    Dann machen Sie es gut, sagte Hélène.
    Wir verabschieden uns immer, als würden wir uns nicht wiedersehen, sagte der Amerikaner. Und dann …
    Und dann, antwortete Hélène. Aber nun fahren Sie ja wirklich nach Hause.
    Nach Hause, wie Sie das sagen, bemerkte Cote. Und ich habe nicht einmal Ihre Adresse, nicht einmal Ihre Telefonnummer, und wir kennen uns schon seit fast zwei Jahren, wir sind schon seit fast zwei Jahren miteinander befreundet - darf ich das so sagen?
    Hélène sah plötzlich müde aus, aber sie lächelte und sagte: Ja, das dürfen Sie so sagen. Unsere Telefonnummer kann ich Ihnen gerne geben. Die ist kein Geheimnis. Sie steht auch im Telefonbuch.
    Sie holte einen Zettel und einen Kugelschreiber aus ihrer Handtasche und schrieb ihre Adresse auf. Er steckte sie in die Brusttasche seiner Jacke und knöpfte wieder zu.
    Wenn ich wiederkomme, sagte er, dann haben Sie einen runden, kleinen, kräftigen Sohn mit roten Backen. Und als sie nicht antwortete, fügte er hinzu: Oder ein

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