Das Amerikanische Hospital
süßes kleines Mädchen. Oder beides. Kann es bei diesen künstlichen Befruchtungen nicht passieren, dass man Zwillinge bekommt oder sogar Drillinge?
Das kann passieren, sagte Hélène.
Sie werden ein Kind haben, sagte er. Ich weiß es. Und hoffentlich werden Sie es mir dann zeigen.
Hélène nickte lächelnd.
Es muss passieren, und es wird passieren, ganz einfach weil es das ist, wofür wir da sind, sagte er, und als er sah, wie Hélène die Stirn runzelte: Wenn Sie alles andere abziehen, Geld und Besitz und Religion und Kriege und Macht und Reisen, dann haben Sie eine Mutter und ihr Kind, ich kann es nicht richtig ausdrücken, was ich meine, aber es ist etwas Heiliges, und Sie, Hélène, werden hier auch ein Kind bekommen.
Einen Augenblick lang hatte sie den paradoxen Eindruck, er habe sich mit ihrem Mann abgesprochen. Fast dieselben Worte, dieselbe quasireligiöse, insistierende Inbrunst. Einerseits tat es gut, sich von seinen Wünschen und Hoffnungen unterstützt zu fühlen. Zugleich hatte sein Beharren auch etwas Übertriebenes und Lächerliches und etwas von einem Übergriff, einer Anmaßung.
Als sie schon stand, um sich zu verabschieden, sagte er: Ach übrigens, ich habe den Ausflug gemacht.
Welchen Ausflug?, fragte sie perplex.
Den nach Moret-sur-Loing, den Sie mir empfohlen hatten.
Ach ja?, fragte sie verblüfft und zugleich erfreut.
Ja, ich habe eines Tages, als ich vom Regiment einen Fahrer hatte, einfach angeordnet, dort runterzufahren. Es ist ja wirklich nur ein Katzensprung von Fontainebleau aus.
Er erzählte, dass er den Fahrer am Stadttor hatte anhalten lassen und dann durch die Gassen des unscheinbaren Dorfes bis zu jener Kirche gegangen war, die Sisley
gemalt hatte, von dort zu der Brücke, die er gemalt hatte, und, da ihm ein Passant dazu geraten hatte, die Ausfallstraße hinunter und dann rechts bis zum Anwesen Clemenceaus. Es war ein ruhiger Tag, und wären die donnernden Lastwagen auf der Ausfallstraße nicht gewesen, hätte man glauben können, es habe sich seit den Zeiten der Impressionisten kaum etwas verändert.
Ich hatte eine Monographie Sisleys mitgenommen, aber das soll man nicht tun. Entweder wirkt dann die Realität banal, oder die Bilder scheinen ungelenk. Es war das erste Mal, dass ich wirklich das Gefühl hatte, in Frankreich zu sein.
Und ging es?, fragte Hélène.
Er verstand, was sie meinte, und antwortete: Ja, es ging so. Vor einem Jahr wäre es noch nicht gegangen.
Es freut mich, wenn es Ihnen gefallen hat.
Er sah sie an. Ich war auch in der Auberge de la Vanne Rouge. Am Wehr. Aber es gibt keinen Papagei mehr, oder er hat sich vor mir versteckt.
Wann waren Sie da?
Warten Sie. Irgendwann Anfang März, glaube ich. Warum?
Wegen der Jahreszeit, sagte sie. Es ist ja in jeder Jahreszeit ein anderer Eindruck.
Ja, es war Vorfrühling. Grüne Spitzen an den Weiden und Pappeln am Ufer des Flusses, sagte er.
Auf dem Rückweg in der Metro am nächsten Tag saß sie auf einem der Klappsitze bei den Türen und blickte auf den Aufkleber mit dem erschreckten Häschen, das davor warnt, sich die Finger in den öffnenden und schließenden Türen einzuklemmen. An jeder Haltestelle sah
sie das große Schlussverkaufsplakat von Tati mit dem charakteristischen rosa Pepitamuster als Hintergrund. Sie las die mit blauen Kacheln in die weißen gefügten Namen der Stationen: Wagram, Malesherbes, Saint-Lazare, Quatre-Septembre, Sentier. An der Place de la République stieg sie um in die Linie nach Créteil, und bei sich zu Hause angekommen, betrat sie zunächst den Monoprix an der Ecke des Faubourg und kaufte eine Flasche Chiroubles, Chicorée, Schinken, den Fromage blanc battu, den ihr Mann gerne gezuckert zum Nachtisch aß, und Brot. In der Wohnung fütterte sie die Katzen und wandte sich dann den Stoffen zu, die sie letztens bei Seymoun am Marché Saint-Pierre gekauft hatte. Besonders der seelenvolle Chenillestoff hatte es ihr angetan, aus dem sie einen Patchwork-Quilt machen wollte, aber auch der Posten alter Seidenbrokat, um den sie, obwohl sie noch nicht wusste, wozu sie die kleine, teure Bahn verwenden sollte, eine halbe Stunde lang mit Seymoun gefeilscht hatte.
Sie stellte sich vor, der Amerikaner hätte dort am Wehr gestanden, während sie oben im Hotelzimmer lag. Sie stellte sich vor, dort zu liegen und zu wissen, dass er unten am Ufer stand, nahe dem rauschenden Wasser am Wehr.
W ie einem die Jahre zwischen den Fingern zerrinnen, wenn man Schimären nachjagt oder fixe Ideen
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