Das Amulett der Macht
haben«, sagte Lara.
Omar lachte laut, dann musterte er sie eingehend.
»Was ist?«, fragte Lara.
»Ich bin immer noch nicht zufrieden mit Ihrer Verkleidung. Ich habe mich gefragt, wie Sie wohl mit einem Bart aussähen.«
»Das lassen wir eines der kleinen Geheimnisse des Lebens bleiben«, erwiderte sie strikt. »Ich werde nicht nur keinen falschen Bart tragen, sondern auch diese Gewänder nicht mehr länger, sobald wir in Khartoum sind.«
»In unserem Land sind Frauen nicht so unabhängig«, merkte Hassam an.
»Schön!«, gab sie zurück. »Dann sucht euch eine Sudanesin, die das Amulett für euch findet.«
»Bitte!«, sagte Omar. »Wir sind Verbündete. Lasst uns nicht streiten. Der Feind ist da draußen.«
»Ich bitte um Verzeihung«, sagte Hassam.
»Demütigst«, verlangte Omar.
»Demütigst«, wiederholte Hassam.
»Ich auch«, sagte Lara. »Muss wohl an all dem rohen Fisch liegen, den wir gegessen haben.«
»Sie mussten zum letzten Mal rohen Fisch essen«, erklärte Omar.
»Ach?«
Er nickte. »Wir sind wieder in unserem Land. Hier haben wir Freunde. Wir fahren noch ein paar Meilen, bis wir sicher sind, dass uns niemand folgt, weder auf dem Wasser noch am Ufer, und dann halten wir in einem kleinen Dorf, wo man uns mit Essen versorgen wird und …«
»Lassen Sie mich raten«, unterbrach Lara ihn. »Mit Kamelen.«
»Wir können nicht nach Khartoum fahren«, erklärte Omar. »Es gibt nur eine Straße. Sie steht ganz sicher unter Beobachtung, möglicherweise hat man Hinterhalte für uns gelegt.«
»Wo liegt dieses Dorf?«
»Ein paar Meilen hinter Wadi Haifa.«
»Wadi Haifa ist doch selbst kaum mehr als ein Dorf, oder?«, meinte Lara.
Darüber schien Omar amüsiert. »Es ist die größte Stadt im Umkreis von über vierhundert Meilen.«
»Trotzdem«, sagte Lara.
Omar seufzte. »Es stimmt. Aber das ist mein Land, und ich bin stolz darauf.«
»Das ist kein Grund, stolz zu sein. Es gibt viele große Städte auf der Welt, die ich unglaublich geschmacklos finde. Größe ist kein Maßstab für einen Menschen oder eine Stadt.«
»Das sage ich mir jeden Tag«, erwiderte der klein gewachsene Omar.
»Wie viele Einwohner hat das Dorf?«
»Fünf große Familien«, sagte Omar. »Alles in allem vielleicht hundertdreißig Leute.«
»Einhundertdreißig«, wiederholte sie. »Ist es auf Karten verzeichnet?«
»Das bezweifle ich.«
»Hat es einen Namen?«
»Ja, aber es ist besser, wenn Sie ihn nicht kennen.«
»Warum?«
Er blickte unbehaglich drein. »Ich habe Familie dort. Jeder, der uns hilft, ist automatisch ein Feind der Mahdisten. Wenn man Sie gefangen nimmt und foltert und Sie den Namen des Dorfes verraten, würden Sie die Menschen dort zu einem schrecklichen Schicksal verurteilen.«
»Ich würde nichts verraten«, erwiderte Lara. »Aber ich erwarte nicht, dass Sie mir das glauben, nur weil ich es sage. Nicht wenn das Leben Ihrer Familie auf dem Spiel steht.«
Omar wirkte erleichtert. »Ich bin froh, dass Sie es so sehen.«
Vier Stunden später erreichten sie Wadi Haifa. Lara beugte sich vor und verbarg ihr Gesicht, während sie sich zwischen Dutzenden von Fischerbooten hindurchschlängelten, und richtete sich nicht auf, bis Omar ihr sagte, dass das Spießrutenlaufen vorbei sei und keine anderen Boote in Sicht waren.
Sie fuhren noch zwei Meilen, und dann, zum ersten Mal seit fünf Tagen, legten sie mit der Feluke an. Die Männer nahmen ihre Gewehre und persönlichen Habseligkeiten nebst den Sätteln und der übrigen Ausrüstung, die die Kamele transportiert hatten. Lara stand daneben und wartete auf sie.
»Wo ist das Dorf?«, fragte sie, als sie fertig waren. »Ich sehe nur Sand.«
»Südlich von hier.«
»Wie weit ist es von hier aus zu gehen?«
Omar sah sie betreten an.
»Diesen Ausdruck kenne ich mittlerweile«, seufzte sie. »Raus mit der Sprache, Omar.«
»Ich sprach vorhin von der Gefahr für meine Familie, sollten Sie den Namen des Dorfes kennen und ihn verraten. Dasselbe gilt für seine Lage. Lara Croft, ich werde nicht versuchen, Sie zu zwingen – ich glaube nicht einmal, dass wir alle drei Sie zu etwas zwingen könnten, was Sie nicht tun wollen –, aber ich bitte Sie mit dem allergrößten Respekt, dass Sie mir erlauben, Ihnen die Augen zu verbinden und Sie zum Dorf zu führen.«
»Jedem anderen, der mich um so etwas gebeten hätte, würde ich ins Gesicht lachen«, sagte Lara nach einem kurzen Moment. »Oder spucken. Aber Sie haben sich mein Vertrauen und meinen
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