Das Amulett der Macht
sodass sie uns nicht ausmachen können, glauben sie vielleicht, dass wir tot sind und ihre Killer womöglich ebenfalls getötet haben. Das verschafft uns eventuell etwas Zeit.«
Omar justierte das Segel, und der Bug des Bootes schwenkte leicht nach links. Weiter und weiter entfernten sie sich von der Uferlinie.
»Woher wussten Sie es?«, fragte er. »Es könnten Marinebiologen gewesen sein. Der Nil wird andauernd von Wissenschaftlern untersucht. Es wären nicht die Ersten, die hier auftauchen.«
»Ich sah einen der Dreizacke«, antwortete Lara. »Das Einzige, wofür man eine so große Waffe braucht, sind Krokos und Nilpferde – und Menschen. Und Sie selbst haben mir gesagt, dass es in diesen Gewässern keine Nilpferde und Krokos mehr gibt.«
»Das habe ich«, sagte Omar überrascht.
»Darum lassen wir ihn so viel reden«, sagte Gaafar mit einem glucksenden Lachen. »Er mag uns damit zwar zu Tode langweilen, aber ab und zu sagt er doch etwas, das uns das Leben rettet.«
»Er war es nicht, der uns das Leben gerettet hat«, berichtigte Hassam ihn. » Sie war es – zum dritten Mal. Ihr solltet hoffen, dass wir so alt werden wie Methusalem der Hebräer, denn so lange wird es dauern, bis wir unsere Schuld bei ihr abgetragen haben.«
»Sie übertreiben«, sagte Lara lächelnd. »Ich bin sicher, dass die Angelegenheit in ein- oder zweihundert Jahren aus der Welt geschafft ist.«
TEIL 2
SUDAN
13
Vier Tage lang segelten sie südwärts, dann erreichten sie das Ende des Nassersees, der einfach wieder zum mächtigen Nil wurde. Von der Amenhotep war nichts zu sehen. Lara war überzeugt, dass das Boot sie leicht hätte einholen können, wäre es unter Volldampf gefahren – woraus sie schlussfolgerte, dass der Kapitän häufig anhielt, um Schmuggelware aufzunehmen oder Passagiere samt ihrer verbotenen Güter loszuwerden.
Sie ertappte sich dabei, wie sie immer öfter an Kevin Mason dachte. Den überragenden Ruf seines Vaters bewunderte sie seit Jahren, aber es war ihr nie in den Sinn gekommen, dass er mit einem gut aussehenden Mann verwandt sein könnte, der seine Fäuste zu gebrauchen wusste und dem es ähnlich stark zur Angewohnheit geworden war, ihr das Leben zu retten, wie sie es im Falle Omars und seiner Gefährten praktizierte.
Es wäre auch nett gewesen, jemanden zu haben, mit dem sie über das Amulett reden konnte. Kevin war zwar nicht sein Vater, aber er kannte sich ganz offensichtlich aus, was das Amulett von Mareish anging. Sicher, Omar unterhielt sich liebend gern darüber, aber er war kein Archäologe. Er wusste nur, dass es die Quelle der Macht des Mahdis war (das glaubte er wenigstens), und er war imstande, einige der Legenden, die sich darum rankten, herunterzubeten. Aber von Interesse war für ihn nur, dafür zu sorgen, dass es nicht in die Hände irgendwelcher potenziellen Mahdis fiel.
Sie war ziemlich sicher, dass es in Khartoum sein musste; und wenn nicht innerhalb der offiziellen Stadtgrenzen, dann doch zumindest in der Gegend um Khartoum, die Gordon in eine Insel verwandelt hatte, als er den Blauen und den Weißen Nil zusammenfließen ließ. Schließlich war dies das einzige Stück Land, das unter seiner Kontrolle gestanden hatte. Es konnte schlicht nicht sein, dass er in die Wüste hinausgegangen war, um es zu verstecken, ohne dass man ihn dabei getötet hätte.
Sie grübelte noch immer über das Problem nach, als Omar ihr sanft auf die Schulter tippte.
»Was ist?«, fragte sie.
»Wir erreichen gleich den Sudan.«
»O verdammt!«
»Was ist?«
»Ich habe keinen Ausreisestempel von Ägypten in meinem Reisepass«, sagte sie. »Ganz zu schweigen davon, dass ich meinem Passbild im Moment nicht gerade ähnlich sehe.«
»Keine Sorge«, sagte Omar. Er winkte einem uniformierten Soldaten, der zurückwinkte.
»Einer von euch?«
»Mein Vetter«, sagte Omar, während das Boot über die Grenze trieb.
»Aber was, wenn wir doch auf Kamelen gereist wären? Wie wären wir dann durch den Zoll gekommen?«, fragte Lara.
»Einer meiner Onkel«, sagte Omar. »Ich habe an jeder Station Männer postiert.«
»Aber die Mahdisten haben sicher dasselbe getan«, meinte Lara.
»Sie haben es versucht « , erwiderte Omar mit einem Lächeln, das keinen Zweifel am Schicksal jener Mahdisten ließ. »Und was Ihren Pass angeht«, fuhr er fort, »machen Sie sich darum keine Sorgen. Sobald wir Khartoum erreicht haben, werde ich alle nötigen Stempel beschaffen.«
»Es ist gut, dass Sie eine große Familie
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