Das Amulett der Macht
Respekt verdient, Omar. Ihr alle habt das. Als Sie mich an Bord der Amenhotep ansprachen, glaubte ich nicht ganz, dass Sie mir die Wahrheit sagten. Nun, da ich Sie kenne, schäme ich mich fast wegen meiner Zweifel. Sie dürfen mir die Augen verbinden. Ich vertraue Ihnen.«
Hassam trat mit einem Tuchstreifen vor, der zu einer Augenbinde zurechtgerissen worden war, aber Omar gebot ihm mit erhobener Hand Einhalt.
»Lara Croft«, sagte Omar, und seine Augen glänzten, »ich bin es, der beschämt ist. Sie werden mein Dorf nicht mit verbundenen Augen betreten. Sie werden es als Lara Croft betreten, als vertrauenswürdiger und verehrter Gast.«
»Aber Omar …«, begann Hassam.
»Sie hat uns bereits drei Mal das Leben gerettet«, sagte Omar. »Unser Leben gehört ihr. Keine Augenbinde, sage ich.«
»Keine Augenbinde«, stimmte Hassam nickend zu und ließ den Tuchstreifen in den Sand fallen, als sei er unrein.
Sie begannen, in Richtung Süden zu gehen. Die Ausrüstung war zu umfangreich, um alles mitzunehmen, deshalb ließen sie die Sättel und andere schwere Gegenstände zurück, Omar sagte, Männer aus dem Dorf würden später alles holen. Nach etwa einer Meile erspähte Lara in der Ferne das Dorf. Es bestand aus Lehm- und Ziegelbauten, die im Schatten von Palmen standen und von schmalen, bestellten Feldern umgeben waren. Ein halbes Dutzend Rinder und acht kleine Ziegen fraßen in der Nähe von irgendwelchen Sträuchern, am anderen Ende des Dorfes standen gut zwanzig Kamele in einem umzäunten Bereich.
»Selbst in meinem Dorf«, sagte Omar, »müssen wir wachsam bleiben.«
»Dann sollte ich vielleicht verkleidet bleiben«, meinte Lara.
»Ihre Verkleidung täuscht niemanden, der sich Ihnen bis auf fünf Fuß nähert«, sagte Omar. »Nein, wir werden Sie unter Ihrem richtigen Namen vorstellen. Aber wir müssen behutsam vorgehen. Meine Leute sind konservativ und festgefahren in ihren Vorstellungen.«
»Ich möchte nicht, dass sich meinetwegen jemand unbehaglich fühlt«, erklärte Lara. »Ich werde tun, was Sie sagen, Omar.«
Ein paar Menschen kamen aus ihren Häusern und blickten der näher kommenden Gruppe entgegen. Dann tauchten immer mehr auf, und schließlich, als sie Omar erkannt hatten, begannen einige zu winken, und ein kleines Mädchen rannte auf sie zu und schlang die Arme um den kleinen Mann.
Omar begrüßte die Dörfler und begann so schnell mit ihnen zu sprechen, dass Lara, deren Kenntnisse lokaler sudanesischer Dialekte weitaus beschränkter als ihr Arabisch und mehr als nur ein bisschen eingerostet waren, der Unterhaltung nicht folgen konnte. An einer Stelle, als sie ihren Namen verstand und sah, wie sich die Blicke der Dorfbewohner neugierig ihr zuwandten, nickte sie gemessen, sagte jedoch nichts. Schließlich drehte Omar sich nach ihr um.
»Wir werden die Nacht hier verbringen und am Morgen mit den Kamelen aufbrechen«, gab er bekannt. Er zeigte auf eine kleine Hütte. »Sie werden dort schlafen. Abendessen gibt es bei Sonnenuntergang.« Er lächelte unvermittelt. »Ich habe ihnen gesagt, dass wir es vorziehen würden, wenn es keinen Fisch gäbe, weder gekocht noch sonst wie zubereitet.«
Lara dankte ihren Gastgebern auf Arabisch, das überall im Sudan gesprochen wurde. Dann ging sie hinüber zu ihrer Hütte, trat ein, zog dankbar ihre Gewänder aus und legte sich hin. Sie erwachte zwei Stunden später, als ihr der Geruch gebratenen Fleisches in die Nase stieg, und sie merkte, dass sie hungriger war, als sie gedacht hatte. Sie suchte in der Hütte nach einem Spiegel, weil sie neugierig war, welche Spuren ihrer Verletzungen noch zu sehen waren, aber ihre Suche verlief erfolglos.
Es klopfte an der Tür.
»Sind Sie fertig zum Abendessen?«, rief Omar von draußen.
»Sofort«, sagte sie.
Während sie schlief, hatte man ihre schmutzige Robe geholt und durch eine saubere ersetzt. Obwohl sie den Gedanken hasste, ein solch hinderliches Gewand (das ihre Waffen zwar gut verdeckte, es aber schwierig machte, schnell an sie heranzukommen) zu tragen, zog sie es doch über. Man hatte auch eine Schüssel mit Wasser, ein Stück Seife und Handtücher für sie hereingebracht, und sie wusch sich rasch das Gesicht und fuhr sich, da sie keinen Kamm hatte, mit den Fingern durch die Haare.
»Man hat zu Ihren Ehren eine Ziege geschlachtet«, sagte Omar, als sie aus der Hütte trat. »Wir haben erzählt, wie Sie uns das Leben gerettet haben.«
»Es wird mir besser schmecken als das feinste Filet im Savoy«,
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