Das Amulett der Macht
Vetter«, sagte Abdul in kaltem Ton. »Jedermann weiß, dass der Zauber, von dem du redest, eine Lüge ist, ein Märchen. Nur Narren und Kinder glauben daran. Bis jetzt wusste ich nicht, dass du ein Kind bist, Omar. Oder fällst du in die andere Kategorie?«
Laras Hände verschwanden unter ihrem Gewand, wo sie die Black Demons zogen. Aber Omar lächelte nur. »Es ist spät, Abdul. Lass uns nichts sagen, was sich nicht ungesagt machen lässt.«
Abdul, der Laras Bewegung genau registriert hatte, lächelte und breitete die Hände aus, wie um die anderen Dorfbewohner zu beruhigen. »Du hast Recht, Omar. Lass uns nicht unser gemeinsames Blut und unser gemeinsames Ziel entehren. Die Mahdisten sind unsere wahren Feinde.«
»Weise gesprochen, mein Vetter.«
»Geht jetzt und ruht euch aus«, sagte Abdul. »Ihr seid weit gereist und habt viel durchgemacht. Morgen schicken wir euch wieder auf euren Weg.«
»Es sei, wie du sagst, Abdul«, erwiderte Omar mit einem ehrerbietigen Nicken.
Eine Stunde später war Lara augenblicklich wach, als jemand ihre Hütte betrat. In der Oberzeugung, dass die Mahdisten sie wieder gefunden hatten, griff sie nach ihren Black Demons, als eine vertraute Stimme aus den Schatten flüsterte: »Lara Croft! Sind Sie wach?«
»Was ist, Omar?«, fragte sie und senkte die Waffen.
»Mein Vetter«, erwiderte Omar. »Er will uns hintergehen. Wir müssen sofort von hier verschwinden!«
Lara erhob sich und schnallte ihre Holster um. »Ich weiß, dass Sie und Abdul wegen des Amuletts nicht einer Meinung sind«, sagte sie, »aber ich kann nicht glauben, dass er uns an die Mahdisten verraten würde!«
»Nicht an die Mahdisten«, sagte Omar.
»An wen dann?«
»Ich schäme mich, es zu sagen, aber es sind unsere eigenen Leute.«
»Ich verstehe nicht…«
»Meine Leute kämpfen seit über einem Jahrhundert gegen die Mahdisten. Während dieser Zeit hat sich eine Gruppe von Elite-Assassinen gebildet. Männer, die nicht nur der Ansicht sind, dass das Amulett nie gefunden werden darf, sondern dass nicht einmal danach gesucht werden soll. Und dass jene, die es wagen, nach dem Amulett zu suchen, gejagt und getötet werden müssen.«
»Und Abdul ist einer von ihnen?«
»Nein. Die Mitglieder dieses Kultes sind an einem gemeinsamen Merkmal zu erkennen, das Abdul nicht hat. Aber seine Worte machen deutlich, dass er mit ihnen sympathisiert.«
»Was für ein Merkmal ist das?«, fragte Lara.
»Sie verstümmeln sich selbst«, sagte Omar angewidert, »indem sie sich die Zunge herausschneiden. Und sie haben Gift bei sich, damit sie sich im Falle einer Gefangennahme jeglicher Folter zu entziehen vermögen, die sie dazu bringen könnte, ihre Geheimnisse schriftlich zu verraten. Unter anderem aus diesem Grund nennt man sie die Lautlosen.«
»Ich habe diese Lautlosen bereits kennen gelernt. Mehr noch, sie haben schon versucht, mich umzubringen.«
»Dann wissen Sie, dass wir keine Zeit zu verlieren haben«, sagte Omar.
»Werden die Dorfbewohner nicht versuchen, uns am Gehen zu hindern?«, fragte Lara, als sie und Omar sich auf die Tür der Hütte und die mondbeschienene Landschaft dahinter zubewegten.
»Diese Männer sind keine Krieger«, sagte Omar, während er sie durch das dunkle Dorf führte. »Und Abdul ist, auch wenn es mich schmerzt, so etwas über einen Verwandten zu sagen, im Herzen ein Feigling. Sie beobachten uns, in diesem Augenblick stehen sie hinter ihren Türen und Fenstern, aber sie werden nicht eingreifen.«
Gaafar und Hassam warteten außerhalb des Dorfes mit einer kleinen Herde von Kamelen auf sie.
»Wie viele Kamele brauchen wir denn?«, fragte Lara.
»Alle«, sagte Omar. »Um Mitternacht lassen wir sie frei, und sie werden den Weg zurück finden, aber warum sollen wir den Dorfbewohnern Tiere hier lassen, falls sie sich doch entschließen sollten, uns zu verfolgen?«
Dann stiegen sie jeder auf ein Kamel und wandten sich in Richtung des fernen Khartoums. Während sie tiefer in den Sudan ritten, fragte sich Lara, ob es außer ihren drei Gefährten im ganzen Land jemanden gab, der sie nicht töten wollte.
14
Die Mittagssonne brannte auf die vier Reisenden herab.
Lara konnte beinahe spüren, wie die drückende Hitze vom Boden emporstieg. Ein paar Minuten nach Sonnenaufgang hatte sie ihre Gewänder übergezogen, aber sie bescherten ihr keine Kühlung.
Ihr Kamel war schweißnass und verbrauchte allein fürs Laufen so viel Energie, dass es keine Kraft mehr hatte, zu blöken oder sich
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