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Das Amulett der Pilgerin - Roman

Titel: Das Amulett der Pilgerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bastian
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Blick, aber er war einen Schritt zurückgetreten.
    »Julian?«
    Sein Gesicht war erstarrt, und mit einer Stimme, die sie noch nie bei ihm gehört hatte, sagte er: »Im Namen des Königs, ich nehme Sie wegen Hochverrats fest.« Er nickte den Wachen zu. »Führt sie ab.«
    Viviana starrte Julian verständnislos an. War er von Sinnen?
    »Julian, was ist denn in dich gefahren?«
    Die Wache stieß sie schmerzhaft mit der Spitze der Hellebarde an, und sie stolperte einen Schritt vorwärts. Zwei der Männer packten sie am Arm und schoben sie in Richtung Hofausfahrt. Sie blickte zurück.
    »Julian!«
    Er stand wie erstarrt da.
    Julian sah ihr nach, wie die Wachen sie aus der Hofeinfahrt und in das Gebäude zwei Häuser weiter brachten, in dem sich auch das Verlies des Sheriffs befand. Er war erstaunt, wie einfach ihre Festnahme gewesen war, denn er hatte befürchtet, dass sie früher Verdacht schöpfen würde. Sie war sich offenbar ihrer Sache zu sicher gewesen, dachte er grimmig, als er schließlich den Wachen folgte.
    »Hat es Probleme gegeben?«
    »Nein, nicht die geringsten. Ich hatte es erwartet, nachdem ich so ausdrücklich vor ihr gewarnt worden war.« Julian setzte sich in den Sessel vor Sir Williams großem Audienztisch.
    »Sie muss sich sehr sicher gefühlt haben.«
    »Allerdings.«
    »Hochmut hat schon so manchen zu Fall gebracht.«
    Julian betrachtete Sir William. Er war ein hagerer Mann in den Fünfzigern, nicht mehr als durchschnittlich groß, mit grauem Haar. Er besaß große Ländereien nördlich von Shaftesbury und war seit Henrys Thronbesteigung ein zuverlässiger Vasall gewesen. Der König hatte ihn mit der Position des Sheriffs und noch zusätzlichen Pfründen belohnt.
    »Was wollen Sie als Nächstes tun, Julian?«
    »Wir sollten sie ein bisschen schmoren lassen. Ich weiß nicht, was sie damit bezweckt, dass sie so stur bei ihrer Geschichte bleibt, aber ich denke, einer ihrer Männer kann sie vielleicht schon mal ein bisschen mürbe machen.«
    Sir William gab dem Mann, der schweigend in der Ecke gestanden hatte, ein Zeichen, und er trat vor.
    »Rob, wir werden die Gefangene heute Mittag befragen. In der Zwischenzeit kannst du an ihrer Bereitschaft, zu reden, arbeiten. Wenn sie gestehen will, sag Bescheid.«
    »Jawohl, Sir. Wie sehr soll ich ihr zusetzen?«
    Sir William blickte fragend zu Julian. Julian betrachtete Rob, der mit seinen braunen Augen und Locken in keiner Weise aussah wie ein Folterknecht. Aber aus Erfahrung wusste Julian, dass das Aussehen nichts zu sagen hatte. Der Gedanke, dass er einen Mann beauftragte, Viviana zu quälen, verschaffte Julian eine Gänsehaut. Wenn Folter sein musste, dann würde er sich nicht hinter einem anderen Mann verstecken.
    »Setz ihr nicht zu hart zu. Ich will sie nur ein bisschen weichkochen. Zu bequem sollte sie es aber auch nicht haben.«
    »Geht in Ordnung.« Er salutierte, und die Tür schloss sich hinter ihm.
    »Rob ist ein fähiger Bursche, niemals nur plump gewalttätig. Er spielt mit der Angst der Gefangenen, das ist erheblich wirkungsvoller«, bemerkte Sir William, der aufgestanden war und ihnen zwei Becher Wein eingeschenkt hatte.
    »Es würde mich freuen, wenn er es fertigbrächte, Mademoiselle von ihrem hohen Ross herunterzuholen.«
    Etwa drei Stunden später beschlossen Julian und Sir William, dass es Zeit wäre, ihre Befragung zu beginnen. Nach einem eigentlich ausgezeichneten Mittagsmahl, von dem Julian allerdings trotzdem kaum etwas herunterbekommen hatte, hatten sie sich angeregt über Politik und die Verwaltung des riesigen Reiches unterhalten. Sir William, dessen Familie mit William dem Eroberer auf die Britische Insel gekommen war, war ein wohlinformierter und anregender Gesprächspartner, doch Vivianas bevorstehende Befragung ließ sich trotzdem nicht aus Julians Kopf verdrängen. Sie unterhielten sich über die derzeitige politische Situation, und Sir William gab seiner Befürchtung Ausdruck, dass sich Henrys gigantisches Reich, das sich über halb Frankreich bis zur Iberischen Halbinsel erstreckte, nicht wirklich dauerhaft zusammenhalten lassen würde. Es gab zu viele unterschiedliche Interessen, die alle unter der Krone vereint werden mussten. Wenn sogar ein starker König wie Henry damit Probleme hatte, wie würde es werden, wenn erst einmal der Thronfolger die Krone trüge. Julian und Sir William waren sich hinter vorgehaltener Hand einig, dass der jüngere Prinz Richard der bei weitem geeignetere Nachfolger für Henry wäre. Selbst wenn

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