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Das Amulett der Pilgerin - Roman

Titel: Das Amulett der Pilgerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bastian
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offensichtlich der Haussegen schief. Julian und Viviana näherten sich der Kirche von hinten. Geduckt im Schatten der Steinmauer, die den Friedhof von einer Gasse trennte, schlichen sie bis zur Sakristei. Durch diese Tür war Viviana heute Morgen entkommen. Es war niemand zu sehen.
    »Das ist merkwürdig, dass sie keine Wachen aufgestellt haben«, flüsterte Julian.
    »Vielleicht ist jemand in der Kirche?«
    »Warte hier, ich werde die Vorderseite überprüfen.« Julian schlich davon. Aber auch an der Vorderseite des Gebäudes war keine Wache zu sehen. Die Kirche ragte schwarz in den Nachthimmel. Der Mond hing wie eine fahle Scheibe in der Dunkelheit und spendete gerade genug Licht, damit sie sich zurechtfinden konnten. Alle Schatten waren tiefschwarz, und wenn sich jemand hinter einem Busch oder einem Grabstein versteckt hätte, dann wäre er gut verborgen. Dies war eine sehr riskante Angelegenheit, aber es nützte alles nichts, sie mussten die Liste haben. Als Julian wieder zurück an die Mauer kam, war Viviana verschwunden. Er fluchte leise. Wieder versuchte sie, ihn abzuhängen. Schnell hastete er über den Friedhof in Richtung Sakristei. Die Tür war verschlossen. Er blickte sich um, doch von Viviana war nichts zu sehen. War sie einfach geflüchtet? Etwas rieselte plötzlich auf seine Schulter. Er blickte nach oben und sah gut zwei Meter in der Höhe zwei Beine aus dem offenen Fensterbogen baumeln.
    »Viviana!«, flüsterte Julian.
    Die Füße über ihm suchten nach einem Vorsprung im Stein, um sich abzustoßen. Julian kletterte auf den untersten Absatz der Mauer, griff nach Vivianas Knöchel und schob sie nach vorn. Die Beine verschwanden in dem schwarzen Fensterloch, und er hörte ein dumpfes Geräusch und einen leisen, französischen Fluch. Julian packte den unteren Rand des Fensters und zog sich daran hoch. Er stemmte sich über den Sims und blickte in den dunklen Raum.
    »Vorsicht, direkt unter dem Fenster steht eine Kommode«, flüsterte Viviana.
    Er ließ sich in den Raum hinunter.
    »Hast du dir wehgetan?«
    »Nicht so schlimm.«
    Sie schlichen zur Tür, die zum Kirchenschiff führte. Vorsichtig spähten sie hindurch. Nichts rührte sich, alles war still. Viviana entzündete einen kleinen Kerzenstummel. Sie hielt schützend die Hand vor die Flamme, damit die Zugluft sie nicht gleich wieder ausblies und damit der Schein des Lichts nicht zu hell strahlte. Suchend blickte sie auf die Fliesen des Fußbodens.
    »Wonach suchen wir?«, flüsterte Julian.
    »Drei Kreise.«
    Die Bodenfliesen waren mit unterschiedlichen geometrischen Mustern verziert. Nach vorn gebeugt, betrachteten sie im schwachen Licht der Kerze den Fußboden.
    »Ich habe die Fliese heute Morgen schon entdeckt. Sie muss hier in der Nähe des Altars sein.«
    Sie standen in der dritten Bankreihe.
    »Hier ist sie.«
    Julian sah eine Fliese, die mit drei ineinandergelegten Kreisen verziert war.
    »Vier Schritte zurück und dann drei nach Westen.«
    Sie folgten der Anweisung und standen vor einer Heiligenfigur, deren strenger Blick deutliche Missbilligung ob ihres nächtlichen Treibens ausdrückte. Viviana drehte sich um und hob die Kerze hoch. Julian drückte ihren Arm nach unten.
    »Man wird das Licht von draußen sehen.«
    »Ich muss aber erkennen, was die Figur sieht.« Sie machte sich ungeduldig los und hob erneut die Kerze. An der schwach erleuchteten gegenüberliegenden Wand stand eine weitere Heiligenfigur. Stirnrunzelnd ließ Viviana ihren Arm sinken.
    »Nun?«
    »Die nächste Anweisung ist, dass die Liste an der Stelle ist, auf die der Heilige Columban schaut, und dann direkt hinter dem Holz.«
    »Geradeaus? Wohin geradeaus?«
    Viviana zuckte mit den Schultern. Sie gingen zu der gegenüberliegenden Figur, dem Heiligen George, der ähnlich tadelnd auf sie herabblickte. Julian tastete den steinernen Sockel ab, fand aber nichts Ungewöhnliches.
    »Ich hasse so kryptische Anweisungen!«, fluchte Viviana leise. »Warum kann man nicht einfach sagen, die Liste ist unter dem Fußbrett der dritten Bank?«
    »Sie muss hier irgendwo sein.«
    Sie suchten und suchten, aber es war absolut nichts zu finden. Erschöpft setzten sie sich auf eine der Bänke.
    »Wir haben etwas übersehen.«
    »Aber was?«
    Julian ging zurück zum Heiligen Columban. Es bestand kein Zweifel, die Figur stand der anderen gegenüber. Die Anweisung konnte nichts anderes als den Heiligen George meinen. Die Darstellung war die übliche, die des Drachentöters.
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