Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
verdrehte die Augen.
»Du bist nicht schon wieder gegen den Türrahmen gelaufen, oder?«
Spätestens jetzt wäre jeder normale Mensch definitiv rot angelaufen.
»Nun ja… nicht direkt gelaufen. Mehr gefallen. Der Teppich hat nicht gerade gelegen und diese blöden Fransen…«
Ich stockte. Meine Tollpatschigkeit war unübertroffen. Keiner von uns beiden hatte jemals jemanden getroffen, der mir auch nur nahe kam. Ich war wirklich unübertroffen und ich fürchtete, dass ich es auch immer bleiben würde.
»Irgendwann komme ich zu dir und finde dich bewusstlos am Boden, weil du über deine eigenen Füße gestolpert bist.«
Es sollte lustig klingen, aber ich hörte den Vorwurf, der in ihren Worten mitschwang. Ich biss mir auf die Lippen. Ich sagte Keira wohl besser nicht, dass das schon das eine oder andere Mal vorgekommen war in den zehn Jahren, in denen ich nun schon alleine wohnte.
»Manchmal denke ich, ich sollte dich zwingen bei uns einzuziehen, damit ich auf dich aufpassen kann.«
Sie murmelte es mehr zu sich selbst als zu mir. Wir hatten das Thema schon oft, und ich wusste, dass es weder sie noch ihren Vater und auch nicht ihre Mutter gestört hätte, aber ich wollte niemandem zur Last fallen. Deshalb lehnte ich jedes Mal ab, wenn Keira mir dieses Angebot unterbreitete. Und bei jedem neuen blauen Fleck oder jeder noch so kleinen Verletzung durfte ich mir erneut Keiras Murren über Sturheit anhören. »Du musst wirklich besser auf dich aufpassen.«
Nun verdrehte ich die Augen.
»Es passiert ja nie irgendetwas Ernsthaftes.«
Keira starrte mich böse an. Noch etwas, dass ich ganz und gar nicht mochte. Unter diesem Blick bekam ich jedes Mal Schuldgefühle, selbst wenn ich absolut nichts getan hatte.
»Trotzdem. Nur weil noch nichts passiert ist, heißt es nicht, dass nichts passieren kann.« Gab sie streng zurück. Das Thema fing an mich zu nerven. Wir führten es definitiv viel zu oft.
»Ist ja nicht so als würde ich es absichtlich tun.«
Und das stimmte. Es war wie ein Fluch. Ich neigte dazu gegen alles möglich zu laufen, Dinge fallen zu lassen oder über meine eigenen Füße zu stolpern. Ich konnte einfach nichts dagegen tun. Ich hatte mich daran gewöhnt, deshalb bemerkte ich die vielen blauen Flecke kaum noch, aber Keira sah mich jedes Mal vorwurfsvoll an, sobald sie einen neuen entdeckte.
»Das wäre ja noch schöner!«
Jetzt klang sie tatsächlich ernsthaft sauer. Ich zog eine Augenbraue hoch und versuchte sie ebenfalls böse anzusehen. Aber ich konnte machen, was ich wollte. Ich konnte einfach nicht böse gucken. Meistens fing Keira an zu lachen, wenn ich mal wieder einen meiner armseligen Versuche startete. Dieses Mal nicht. Sie blieb streng und starrte mich erbarmungslos nieder.
»Versprich, dass du besser auf dich aufpasst.«
Erneut verdrehte ich die Augen, hoffte aber das Thema damit beenden zu können.
»Ich verspreche besser aufzupassen und jeder Tür aus dem Weg zu gehen, die auf geheimnisvolle Weise ihre Größe ändert.«
Keira sah mich missbilligend an. »Ich will doch nur nicht, dass dir auch noch etwas passiert.« Sie sagte es leise, und mit einem Mal lag wieder ihr gesamter Schmerz in ihrer Stimme. Ich seufzte.
»Das weiß ich doch.«
Keira sah zurück zur Sonne, die beträchtlich gesunken war. Ich hatte nicht mitbekommen, wie sich schon die Farbe des Lichtes um uns herum veränderte. Ich sprang auf. Wobei ich natürlich ins Taumeln geriet und mir gleich wieder einen bösen Blick von Keira einfing. Ich überspielte es, indem ich ihr lächelnd eine Hand hinstreckte und sie auf die Beine zog.
»Danke«, sagte sie leise. Ich wusste, dass sie sich nicht für die sinnlose Hilfe beim Aufstehen bedankte. Manchmal brauchten wir keine Worte, um uns zu verständigen. Wir kannten uns gut genug, dass ein Wort oder ein Blick ausreichte. Ich schloss Keira in die Arme.
»Wofür sind Freundinnen sonst da?«
Es war eine rhetorische Frage und dementsprechend gab sie auch keine Antwort. Wir beeilten uns, aus unserem kleinen persönlichen Tal hinaus zu kommen. Wir wollten beide nicht bei Anbruch der Nacht im Freien sein. Die Nacht war die bevorzugte Zeit der Seelenjäger. So konnten sie sich unbemerkt an ihre Opfer heranschleichen, und die Seelensammler brauchten nur hinter ihnen aufzuräumen. Ich verstand immer noch nicht wie ein Mensch in der Lage sein konnte, einem anderen seine Seele zu rauben. Es war mir unbegreiflich. Andererseits passierten auch immer wieder Morde und die verstand ich
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