Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
entkommen. Der schlief wohl nie.
»Ja, Reynolds. Wenn Sie es wissen müssen. Ich gehe aus. Haben Sie noch mehr Fragen oder darf ich meinen Angelegenheiten weiter nachgehen?«
Ich funkelte ihn an. Es ging ihn wirklich gar nichts an, was ich tat oder wann ich wohin ging. Ich gab ihm ungefähr drei Sekunden, dann stürmte ich aus der Tür.
Gelbliches Licht erhellte immer wieder kurze Abschnitte der Straßen. Ich konnte nicht anders, als mich alle paar Schritte umzudrehen. Da war natürlich niemand hinter mir, aber dennoch war es ein Zwang, den ich nicht verhindern konnte. Zum Glück hatte Ryan auf dem Rückweg einen direkteren Weg gewählt, ansonsten hätte ich das Haus nie wieder gefunden. Ich orientierte mich an Gebäuden und Gärten. Die Dunkelheit erschwerte es zwar ein wenig, aber ich fand dennoch mein Ziel. Ich warf einen letzten Blick über die Schultern, bevor ich den ersten Mechanismus aktivierte. Schnell huschte ich durch den Spalt und wartete darauf, dass das Licht anging. Es dauerte eine nervenzerreißend lange Zeit. Der Kamin scharrte hinter mir zurück an seinen Platz. Ich war alleine in dem langen Tunnel. Ich beruhigte mich ein wenig. Auch wenn kein Seelenjäger in der Nähe war, fühlte es sich nicht gut an, alleine während der Nacht unterwegs zu sein.
Ich erkannte auf dem Boden keine neuen Fußspuren. Seit wir hier gewesen waren, hatte kein Anderer den geheimen Ort aufgesucht. Auch wenn ich nicht verfolgt wurde, ließ ich mir trotzdem nicht sonderlich viel Zeit durch den Tunnel zu laufen. Ich hatte die sinnlose Hoffnung vor Keira zurück in der Suite zu sein. Als auch die letzte Barriere zur Seite glitt, dauerte es einen Moment, bis die einsame Glühbirne ihr Licht verteilte. Ich wartete nicht, sondern stürmte hinein. Als ich bäuchlings im Dreck landete, bereute ich meine Ungeduld. Die zwei Sekunden hätten höchstwahrscheinlich keinen Unterschied gemacht. Genervt klopfte ich mir die rötlich braune Erde von der Hose.
Also wo waren jetzt die Seiten. Langsam drehte ich mich um mich selbst und betrachtete jede Einzelheit. Dieses Chaos war fast schlimmer, als jedes das ich verursachte. Jetzt wurde mir klar, warum die Buchseiten eine solch merkwürdige Farbe hatten. Es war nicht das Papier an sich gewesen. Das Buch und die Blätter mussten ewig lange in dieser Erde gelegen haben. Mein Herz setzte eine Sekunde aus, als ich die erste Seite ausmachen konnte. Ich hätte sie wirklich früher sehen sollen, lag sie doch genau dort, wo ich eben hingefallen war. Schnell bückte ich mich nach ihr und richtet mich ein wenig zu ruckartig auf, sodass der Raum sich kurz vor meinen Augen drehte. Der Inhalt der Seite ergab für mich noch keinen Sinn. Ich bückte mich immer wieder, um hier und dort fast vergrabene Seiten aufzuheben. Ich fand im gesamten Raum dreizehn weitere Seiten. Alle waren sie von oben bis unten beschrieben. Müde rieb ich mir die brennenden Augen, als ich noch einmal den gesamten Raum abschritt. Da waren keine weiteren Seiten. Ich musste alle gefunden haben. Wie vor ein paar Stunden zog ich den wackeligen Stuhl an den Tisch und holte das Buch aus meinem Rucksack. Die Seitenzahl der letzten vollständigen Seite war die Zwölf. Ich breitete die weiteren dreizehn Blätter vor mir aus und sortierte sie. Mir fehlte die sechzehn, neunzehn, dreiundzwanzig und die siebenundzwanzig. Ich sah mich um. Da waren keine anderen Seiten mehr. Ich musste alle gefunden haben, die noch existierten.
Die Seiten dreizehn bis fünfundzwanzig waren der Funktion gewidmet. Ich überflog sie schnell. Ich suchte nach einem Satz, der meine Vermutung bestätigte. Ich wusste grob, was der Gealen bewirkte, wenn er in der Hand eines Seelenjägers war. Jetzt wollte ich wissen, was er bewirkte, wenn ein Ordensmitglied ihn benutzte. Ich fand eine Passage am Ende des Kapitels.
Der Gealen besitzt die Voraussetzung, die Verbundenheit zwischen Seele und Körper zu erhalten.
Das reichte mir als Bestätigung. Der nächste Teil des Buches war der Wichtigste. Zumindest der Wichtigste für mich. Er behandelte die Aktivierung und Handhabung des Gealen. Gerade als ich anfing zu lesen, schreckte ich auf. In meiner Hosentasche vibrierte mein Handy. Schnell fummelte ich es aus der Tasche.
»Ja?«
Es war natürlich Keira.
»Janlan, hast du inzwischen etwas gegessen?«
Einen Moment war ich stumm vor Überraschung. Ich hatte erwartet, eine vor Wut tobende Keira zu hören.
»Ehm. Nein noch nicht«, antwortete ich. Ich glaubte, dass es
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