Das Amulett von Gan (German Edition)
Erzählung. »Ich lebe in Kapstadt, das ist eine große Stadt in Südafrika. Meine Eltern arbeiten in einer Diamantmine. Vielleicht bin ich deshalb in diesem Zimmer gelandet…« Sie schaute nachdenklich zu den Diamanten an der Wand. »Wie auch immer, wir hatten eine ganz alte Tante. Sie lebte vollkommen alleine in dem Haus neben uns. Außer uns hatte sie keine Verwandten mehr. Vorgestern, als ich gerade dabei war, das Abendessen für mich und meine Eltern vorzubereiten, klopfte sie an unsere Tür. Ich machte ihr auf und bat sie einzutreten. Meine Eltern waren noch nicht von der Arbeit zurück. Sie war ganz aufgeregt und fing gleich an, zu erzählen. Sie müsse mir dringend etwas geben, aber es sei ein großes Geheimnis, von dem ich niemand sonst erzählen dürfe. Ich war überrascht und fragte, wieso sie gerade mir dieses Geheimnis anvertrauen wolle. Sie lächelte mich gütig an und sagte ruhig und ernst: ›Weil du berufen bist!‹
Ich erschrak ein wenig über ihre Worte, fühlte mich aber auch sehr geehrt. Sie legte daraufhin ein Etui in meine Hand. Es war aus Holz geschnitzt und hatte wunderschöne wellenförmige Einlegearbeiten aus Perlmutt auf der oberen Seite. Als ich es öffnete, fand ich das Amulett darin. Ich musste innerlich etwas schmunzeln, denn ein Stein mit ein paar darauf eingeritzten Wörtern und ein paar krummen Strichen schien mir nicht unbedingt ein Schatz zu sein. Wisst ihr, meine Tante konnte manchmal etwas seltsam sein.«
»Du konntest ja auch nicht ahnen, was sich hinter diesem Stein verbirgt«, merkte Chika verständig an.
»Allerdings«, bestätigte Pendo, die nachdenklich das Amulett betrachtete.
»Wieso redest du eigentlich von deiner Tante in der Vergangenheit?«, fragte Finn verwundert.
»Weil gestern etwas ganz Schreckliches geschehen ist«, antwortete Pendo mit tränenerstickter Stimme. »Die alte Tante wurde tot in ihrem Haus aufgefunden. Sie ist wohl mitten in der Nacht gestorben. Ganz unerwartet. Einfach so.«
»Das ist ja traurig. Oh, das tut mir wirklich sehr leid für dich«, sagte Chika mitfühlend, und Finn und Joe stimmten ihr zu.
»Vielen Dank«, entgegnete Pendo. »Es ist, als ob meine Tante ihren Tod vorhergesehen hätte. Sie hat mir das Amulett gerade noch rechtzeitig anvertraut.«
Pendo nahm den Stein, der genau wie die anderen aussah, in die Hände und zeigte ihn den dreien. »Nun ja, wie es dann weiterging, wisst ihr ja. Ich kann das alles noch gar nicht glauben. Ob ich das bloß träume?«
Eine nachdenkliche Stille legte sich über die vier. Finn unterbrach das Schweigen: »Ganz bestimmt träumst du das nicht«, sagte er. »Ich habe nämlich einen riesigen Hunger, und der ist garantiert echt.« Alle mussten nun lachen.
»Lasst uns schauen, was es hier noch zu entdecken gibt und ob etwas Essbares zu finden ist«, sagte Joe. Eilig liefen sie in dengroßen Raum in der Mitte. »Wir waren noch gar nicht in dem fünften Gang. Ob wir dort etwas zu essen finden? Irgendwo muss es ja was geben.«
Entgegen ihren Hoffnungen fanden sie am Ende des fünften Ganges aber kein Zimmer mit einem festlich gedeckten Tisch, sondern einfach nur den Ausgang des Gebäudes. Sie traten ins Freie und atmeten die unglaublich erfrischende Luft ein. Das Haus stand inmitten eines wunderschön gestalteten Gartens. Es gab einen kleinen Bach mit einer Brücke aus weißem Marmor. Entlang der Wege blühten Blumen und Sträucher, deren süßlicher Duft die Sinne verwirrte. Der Garten war von riesigen Bäumen umgeben, auf denen unzählige bunt gefiederte Vögel umherhüpften und wunderschön sangen. Die Bienen eilten von Blüte zu Blüte, und rubinrote und zitronengelbe Schmetterlinge ließen sich flatternd auf den Jungen und Mädchen nieder.
»Schaut mal, wie wunderschön dieser Garten aussieht!«, sagte Chika ehrfürchtig.
»Und diese Vögel«, flüsterte Pendo und zeigte auf einen leuchtend blauen Vogel, der auf einer Baumkrone saß. »Wie schön das alles ist. So stelle ich mir das Paradies vor.«
Das Gebäude, aus dem sie gekommen waren, sah von außen eher schlicht aus; gar nicht wie ein Palast. Sie erkannten die runden Formen der Zimmer, das Dach war in verschiedene Kuppeln aufgeteilt. Es war ganz weiß angestrichen und hatte keinerlei Fenster oder irgendwelche Verzierungen. Selbst der Eingang, aus dem sie herausgekommen waren, war ganz unscheinbar. Niemand hätte vermutet, welch wunderbare Räume sich in seinem Innern verbargen.
»Zu essen gibt es hier allerdings auch nichts«,
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