Das Amulett von Gan (German Edition)
Wunde, damit sein Blut in sie hineinfloss. Der Vogel wirkte dabei äußerst geschwächt, alle Lebenskraft wich aus seinemKörper, und dennoch schien er alle um sich herum zu beruhigen und zu trösten. Raue und kehlige Töne wie bei einem Sterbenden kamen aus seinem Schnabel. Nach einer kurzen Zeit, die Finn, Chika und Joe wie eine Ewigkeit vorkam, bewegte er sich wieder rückwärts, betrachtete erschöpft und traurig die vier Gefährten, breitete seine mächtigen Schwingen aus, hob sich mit einem kräftigen Flügelschlag empor und flog davon.
Chika, Joe, Finn und das Volk von Gan sahen ihm gebannt hinterher. Niemand achtete in diesem Moment auf Pendo. Da hörten sie auf einmal, wie jemand laut nach Luft schnappte. Sofort schauten alle herunter zu dem Mädchen, von dem das Geräusch offensichtlich gekommen war. Was sie nun sahen, konnten sie kaum glauben: Pendo lebte! Wo vorher die tödliche Verletzung war, war jetzt nur noch ein Loch in der Kleidung zu erkennen. Das Blut von Pendo und das des silbernen Pelikans Äbrah war gänzlich verschwunden. Noch etwas benommen blinzelte Pendo zu ihren Gefährten herauf: »Was ist passiert? Warum guckt ihr mich alle so an?«
Die anderen waren viel zu verwirrt, um ihr darauf antworten zu können. Sie schauten ihre Freundin nur mit großen Augen an.
Verdutzt über die Reaktion der Freunde sagte Pendo: »Ich weiß nur noch, wie alles plötzlich ganz dunkel wurde. Und dann sah ich ein helles Licht, das mich vollständig erfüllte. Glück durchströmte mich und alle Ängste fielen von mir ab. Es war so wunderschön! Und jetzt liege ich hier und nichts ist wie vorher. Wo ist Harah? Wo sind die Schwarzalben?«
»Das … das können wir dir auch nicht so genau sagen«, stammelte Finn. »Harah hatte dich mit seiner Lanze getötet, und dann kam der Vogel Äbrah und hat dich mit seinem Blut wieder lebendig gemacht.«
»Was?«, schrie Pendo, die nicht glauben konnte, was sie da hörte. »Ich wurde getötet? Was erzählt ihr denn da für einen Quatsch?«
Finn schwieg. Er konnte nicht weiterreden. Er war erschüttert über die plötzliche Wendung. Pendo, die durch Harahs Lanzegetötet wurde, eine Lanze, die ganz offensichtlich für ihn bestimmt war, lebte. Sie war nicht mehr tot. Finn konnte nichts anderes tun, als sie zu umarmen. Er weinte vor lauter Freude. Auch die beiden anderen umarmten Pendo. Sie waren sprachlos und natürlich unglaublich glücklich. Am meisten aber wunderte sich Pendo, die kaum glauben konnte, was die Freunde berichteten.
Da trat die Lichtalbenfrau Elhadar zu ihnen und sagte: »Ihr Träger der Amulette, beeilt euch. Wir wissen nicht, ob der Feind fernbleibt, wenn der Vogel Äbrah nicht mehr hier ist. Ihr habt einen Auftrag.« Sie deutete auf den Tisch mit den vier Stühlen.
Die Freunde schauten einander an und nickten. »Ja, lasst uns zu dem Tisch gehen«, sagte Chika.
Sie stellten sich nebeneinander auf und fassten sich an den Händen. Feierlich schritten sie auf den Pavillon zu. Die strahlenden Gestalten der Lichtalben gingen zur Rechten und zur Linken neben ihnen her. Die Tiere, Menschen, alle Bergmännchen und die Baumgeister folgten ihnen. Keiner wagte zu sprechen, denn alle spürten, was für einen besonderen Moment sie hier erlebten.
Als sie bei dem prächtigen Pavillon ankamen, stellte sich jedes Kind hinter einen der Stühle. Das Einhorn, das sich direkt neben die Kinder gestellt hatte, erhob seine Stimme: »Ihr Bewohner von Gan, gelobt ihr, niemals wieder die Quelle der Lebensströme zu missachten und sie von nun an treu zu bewahren, damit sie zum Wohl unseres Landes und der ganzen Welt fließt?«
Wie aus einem Munde rief die Menge: »Wir geloben es!« Daraufhin knieten alle nieder.
Pendo, Chika, Finn und Joe setzten sich vorsichtig auf die Stühle, als ob diese jeden Moment unter ihrem Gewicht zusammenbrechen könnten, und holten ihre Amulette unter ihren Umhängen hervor. So wie in dem Haus Nebijahs, der Hüterin der vier Lebensströme, legten sie ihre Amulette in die Mulde auf dem Tisch. Sie passten genau hinein. »Vier Ströme geben Leben und Kraft bis an die Enden der Erde«, lasen sie hoffnungsvoll auf demKreis, den die vier Amulette nun bildeten. Die Freunde blickten sich in die Augen und legten ihre Hände auf das Bild der vier Lebensströme. Sie ersehnten sich nichts mehr, als das Wasser der Quelle sprudeln zu hören.
Für ein paar Sekunden war es vollkommen still. Niemand wagte sich zu bewegen. Die Spannung war kaum zu ertragen. Da
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