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Das Amulett

Das Amulett

Titel: Das Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan R. Bellem
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die Aura seines Mörders erzählen können.
    * * *
    So viele Jahre schon.
    So viele Jahre in Gefangenschaft. Eingekerkert, an den Stein gebunden. Pharg‘inyon sehnte sich nach seinem Körper. Damals, als sein Vater, Aurelion, die Menschen vernichten wollte, war er einer der Generäle gewesen. Zügellos hatte er unter den schwachen Sterblichen gewütet, zahllose niedere Dämonen hatte er in die Schlacht geführt. Sie hatten sich am Geschrei der Sterblichen erfreut, sich an ihren zerfetzten Leibern gelabt.
    Nun verrottete seine Essenz in diesem kristallinen Kerker. Er wollte die Luft spüren, den Duft der Angst riechen. Er wollte über staubige Erde wandeln und Gras zu Asche verwandeln. Er wünschte, er könnte seine Klauen in den weichen Leib eines Menschen treiben und genüsslich dessen Blut trinken.
    Viele Male hatte er versucht, den Magier Xandor zu verleiten, sich das Amulett um den Hals zu legen, doch der Greis war stets zu schlau gewesen. Am Ende hatte er Dergeron das Gefängnis übergeben, doch weshalb, das wusste Pharg‘inyon noch immer nicht. Möglicherweise hatte Xandor den Krieger als neues Gefäß für ihn erwählt.
    Nur das Buch Karand beherrschte die Gedanken des Dämons. Durch Xandor hatte er davon erfahren und sogleich gewusst, dass er das Artefakt um jeden Preis besitzen musste. Dergeron war ein würdiger Träger. Seine Bosheit wurde nur von seiner Besessenheit übertroffen, doch Pharg‘inyon fürchtete, dass dies allein an der Wirkung von Xandors Zauber lag.
    Der Dämon hatte die Zeit der Verwandlung des Kriegers durch den Bann sehr genossen. Widersprüchliche Gefühle hatten sich in Dergerons Unterbewusstsein bekämpft – seinen Freund getötet zu haben, hatte ihn schwer belastet, bis der Aurelit kaum merklich eingegriffen und die Zweifel aus Dergerons Geist vertrieben hatte. Nun, da sein Wirt bereit war, durfte er hoffen, eines Tages wieder selbst über Kanduras zu wandeln.
    * * *
    In der Dunkelheit seines Zeltes fühlte sich Tizir sicher. Die magische Plane würde ihn vor den Blicken der Kleriker schützen.
    Finde Gordan! wiederholte er in Gedanken immer wieder. Die letzten Befehle seines neuen Meisters waren eindeutig gewesen.
    Tizir kannte den Namen.
    Jeder Magier kannte ihn. Und in jedem Magier löste sein Klang die gleichen Gefühle aus. Gordan war kein gewöhnlicher Magier – er war eine Legende! Selbst Xandor hatte ihn nicht besiegen können. Doch Gordan galt seit Jahrhunderten als verschollen; Tizir war lange Zeit der Überzeugung gewesen, der alte Mann wäre mittlerweile dem Fluch der Jahre erlegen. Doch dass Dergeron ihm befohlen hatte, den Magier ausfindig zu machen, ließ ihn grübeln.
    Konnte Gordan tatsächlich noch am Leben sein? Tizir war alt, dennoch hatte er Gordan nie gesehen, nie seine Aura gespürt.
    Einen flüchtigen Moment zweifelte Tizir daran, ob er diese Aufgabe übernehmen sollte. Wenn Gordan noch lebte, war er gefährlich, vielleicht zu gefährlich. Doch so plötzlich der Gedanke ihn überfallen hatte, so rasch verschwand er wieder. Tizir konnte sich dem Befehl eines Herolds des wahren Gottes nicht widersetzen. Selbst, wenn es das eigene Verderben bedeutete.
    Er würde Gordan finden.
    * * *
    Erleichtert atmete Gordan auf, als er sich wohlbehalten aus der Astralwelt löste und sein Arbeitszimmer wieder erkannte. Eine Reise durch die Astralwelt bedeutete stets ein Wagnis. Nur allzu leicht konnte man durch den Dimensionsriss schreiten und sich plötzlich ohne Arme in der Welt der Sterblichen wiederfinden. Nur wenige Magier kannten diesen äußerst nützlichen Zauber überhaupt noch. Er beschloss, ihn Dezlot nicht zu lehren. Malvner hatte den Jungen durch die Astralwelt zu ihm geschickt, doch das würde die einzige dieser Reisen für den Jungen bleiben.
    Mit einem leisen Räuspern verdrängte Gordan den Gedanken und stellte Malvners Totenschädel vor sich auf den Schreibtisch. Das flackernde Licht der Kerze ließ dunkle Schatten über den Schädel huschen und schien die leeren Augenhöhlen mit neuem Leben zu erfüllen. Einen Lidschlag lang glaubte Gordan, dass Malvners Kopf ihn anstarrte, ihm auf groteske Weise zulächelte.
    Gordan hatte noch nie versucht, aus einem Totenschädel eine Aura zu erspüren, erst recht keine, die bereits einige Mondphasen zurücklag. Ein wenig ratlos beobachtete er die tanzenden Schatten. Dann fasste er sich ein Herz und legte die Daumen in die leeren Augenhöhlen und platzierte die übrigen Finger gespreizt am Hinterkopf des Schädels. Er

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