Das Amulett
von einem Bein aufs andere wippte, als müsse er Wasser lassen.
»Dann sollten wir ihn schleunigst herbestellen«, schlug Totenfels vor.
»Bei allem Respekt, Herr«, schaltete sich Hagstad ein. »Obliegt eine solche Entscheidung nicht Eurem Kommandanten?«
»Oh, Verren soll nicht mich bewachen«, winkte der Graf ab. »Ihr macht Eure Sache sehr gut, mein lieber Hagstad. Ich denke vielmehr an einen Leibwächter für die geschätzte Alynéa.«
»Aber wäre das nicht auch ...«, setzte der Soldat an, doch Totenfels schnitt ihm das Wort mit einer Handbewegung ab.
Ohne sich zu dem Mann umzudrehen, fuhr er fort: »Wäre die liebreizende Alynéa Teil meiner Familie, gäbe ich Euch recht, Hagstad. Aber das ist sie nicht – noch nicht. Und in diesem Fall steht es ihr frei, sich einen Beschützer ihrer Wahl auszusuchen. Geht und verständigt den Kommandanten von meiner Entscheidung.«
Hagstad zögerte einen Augenblick, doch schließlich verließ er gemessenen Schrittes den Raum und schloss leise die Tür hinter sich.
»Ein überaus kluger Zug, meine Liebe«, gratulierte er der Magiern.
Alynéa nickte kurz. »Nun haben wir jemanden an unserer Seite, der Hagstad im Ernstfall die Stirn bieten kann.«
»Und der auch mit Dergeron keine Mühe hat?«, wollte Totenfels wissen.
»Verren ist mehr als fähig, ein Leben zu schützen. Und er ist mindestens ebenso gut darin, eines zu beenden«, sagte sie verheißungsvoll.
»Denkst du, Verren hätte Interesse, Kommandant der Garde zu werden?«, lachte Totenfels.
»Möglicherweise«, sagte sie kalt lächelnd. »Doch seine Fähigkeiten können wir auf andere Weise sinnvoller nutzen. Wie wäre es, Berenth einen Schlag zu versetzen, ohne das Land angreifen zu müssen?«
»Das wäre ganz und gar großartig«, meinte Totenfels und prostete ihr mit dem Weinglas zu.
Sie erwiderte den Gruß und nahm einen tiefen Schluck des vortrefflichen Roten, den Totenfels hatte bringen lassen. Der Wein war nicht zu süß, dennoch sanft im Abgang. Dein Abgang wird alles andere als sanft sein, Gräfchen , dachte sie zufrieden.
Sie hatte soeben ein weiteres Kaninchen in die Grube gestürzt.
* * *
Hart schlug die Faust auf die schwere Holzplatte, die unter der Wucht des Hiebs widerstrebend knarrte. Dergerons Zähne mahlten aufeinander und knirschten, während Hagstad ihm die neusten Ereignisse schilderten.
»Gerissene, kleine Dirne«, kommentierte er, als sein Spitzel schließlich geendet hatte. »So viel Schneid hätte ich ihr nicht zugetraut.«
»Wie meint Ihr das?«, wagte Bengram Hagstad zu fragen, auch wenn er die Reaktion seines Kommandanten und Mitverschwörers fürchtete.
»Sie versucht mich – uns – zu umgehen«, erklärte Dergeron. »Wenn sie an den Fäden des Grafen zieht, tanzt das ganze Land danach.« Dergeron starrte eine Weile ins Leere. Dann zeichnete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ab. »Jedenfalls glaubt sie das.«
Später beobachtete Dergeron mit einer Mischung aus Wut, Enttäuschung und Vorfreude, wie Cantas Verren durch das Haupttor die kleine Burg Totenfels betrat. Das wirst du mir büßen, Hexe , dachte er verstimmt. Ihre Absprache hatte in keiner Weise vorgesehen, diesen Gecken Verren in seine Burg zu bringen.
Beim Gedanken an seine Burg musste Dergeron kurz lachen. Er war ein Verschwörer, der gerade Opfer einer Verschwörung wurde.
Doch letztlich verspürte er auch ein gewisses Maß an Freude darüber, dass Verren sich nun innerhalb der Mauern aufhielt. Dergeron hatte bereits bei ihrer ersten Begegnung erkannt, was Cantas Verren in Wirklichkeit war: ein Mörder. Kein bloßer Söldner im Dienste der Gaukler, der sie vor Wegelagerern beschützte. Nein – Verren war ein waschechter Meuchelmörder, dessen war sich Dergeron sicher. Seine Bewegungen, seine Bewaffnung – ein schlankes Schwert aus dem Osten, das man dort Rapier nannte, und ein Dolch – zeigten, dass er großen Wert auf Präzision und Effizienz legte.
Wie viel Blut mag an seinen Händen kleben? dachte der Krieger neugierig.
Männer ihres Schlages gaben sich nicht mit dem zweiten Rang zufrieden. Und die Konfrontation mit Cantas Verren könnte eine ungemein wertvolle Erfahrung werden, überlegte Dergeron. Sie würde ihn zu einem vollkommeneren Krieger machen.
* * *
Die feingliedrige Kette floss geradezu durch ihre Finger, und der kleine Anhänger pendelte schwach vor ihrem Gesicht. Wie unterschiedlich ihre Empfindungen beim Betrachten des Schmuckstücks nun doch waren. Der Stein schien ihre
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