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Das Amulett

Das Amulett

Titel: Das Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan R. Bellem
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vorausgehen«, schlug sie nachdenklich vor.
    Tharador runzelte die Stirn. Dann trat er näher an sie heran, ergriff ihre Hand und zog sie sanft, aber bestimmt mit sich, als er den Rückweg zum Nachtlager antrat. »Wir haben nichts zu verbergen«, sagte er fröhlich, und ein Lächeln fand den Weg in Calissas Züge.
    Als die beiden in den Schein des Lagerfeuers traten, ernteten sie mehr als einen neugierigen Blick. Kordal und Lantuk tauschten ein wissendes Lächeln, während Faeron die Lippen nur zu einem kurzen Schmunzeln verzog.
    Lediglich Khalldeg zögerte nicht, seine Gedanken laut auszusprechen. »Herrje, morgen Abend hättet ihr ein warmes Bett gehabt. Na ja, ich übernehme deine Wache, Junge, du siehst müde aus!«, dröhnte er schließlich unter prustendem Lachen.
    Daavirs Worte ließen alle erstaunt aufblicken: »Ich gratuliere euch. Zwei Seelen haben sich gefunden und vereint. Ihr habt großes Glück.«
    Tharador war zu verdutzt, um etwas zu erwidern. Calissa antwortete für sie beide. »Danke, Südländer – danke, Daavir, mein Freund.«
    »Ich wünschte, wir könnten alle so fühlen«, sagte Ul‘goth plötzlich nachdenklich. Tharador glaubte einen Lidschlag lang, dass der Ork seine Beziehung zu Calissa meinte, doch Ul‘goth spielte auf etwas anderes an: »Ich wünschte, mein Volk würde von den Menschen ebenso als Freund angesehen.«
    »Vielleicht solltet ihr dann erstmal damit aufhören, Frauen und Kinder zu metzeln«, brummte Lantuk missmutig.
    Ul‘goth funkelte den Krieger mit jäh aufsteigender Wut an. »Was weißt du schon über mich, Mensch? Was weißt du über mein Volk?«, fragte er Lantuk.
    »Ich weiß, dass dein Volk uns die Goblins gebracht hat!«, entgegnete der Krieger laut.
    »Ja, das ist meine Schuld. Eine Schuld, mit der ich leben muss«, räumte der Ork ein. »Und was haben deine Vorfahren getan? Wer hat uns aus unserer Heimat vertrieben und zu einem Leben in den kargen Bergen gezwungen?«
    »Dann rechtfertigst du dich also mit Rache?«, gab Lantuk spöttisch zurück.
    »Genug, Lantuk!«, schrie Kordal.
    »Nein«, warf Faeron ein. »Dieser Konflikt muss jetzt beseitigt werden.«
    Ul‘goth verfiel zurück in stoische Ruhe. »Ich gestehe, dass ich mich teilweise von Rache habe leiten ließ. Allerdings war mein größter Wunsch, meinem Volk eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Ich habe auf die falschen Berater gehört und meine Hände dadurch mit dem Blut so vieler Unschuldiger besudelt. Das sind Fehler, die ich nicht ungeschehen machen kann. Sie werden mich für immer verfolgen, so wie deine Narben dich für immer begleiten werden, Lantuk aus Ma‘vol. Faeron hat Recht – wir müssen unseren Konflikt beilegen. Ich frage dich nun, wie du das tun willst. Mit der Waffe oder durch Vertrauen?«
    Lantuk zögerte, doch Ul‘goth ließ es nicht dabei bewenden, sondern sprang auf die Beine und richtete sich zu voller Größe auf. Lantuk war ein kräftiger Mann, doch neben dem Ork hätte selbst der mächtige Omuk schmächtig gewirkt. Sogar Daavir, der Ul‘goth an reiner Körpergröße nicht nachstand, konnte sich bequem hinter den Schultern des grünen Muskelbergs verstecken. So stand Ul‘goth nun in ihrer Mitte, während der flackernde Schein des Feuers tanzende Schatten auf seiner Brust bildete.
    »Wollen wir noch mehr Blut vergießen? Du das meine oder ich das deine?«, brüllte Ul‘goth in die Nacht. »Dann komm her, Krieger aus Ma‘vol! Ich werde mich dir stellen!«
    Als Lantuk immer noch zögerte, beruhigte sich der Ork wieder und entspannte sich. »Oder wir versuchen, uns eines Tages die Hände als Freunde reichen zu können«, sagte er in ernstem, aber einladendem Tonfall.
    Lantuk rang mit sich, man konnte es an seinen Zügen ablesen. Der Krieger haderte mit der ernüchternden Wahrheit der Worte des Orks und der Erkenntnis, die sie ihm bescherten. Er musste sich eingestehen, dass Orks ebenso wenig durchwegs schlecht waren wie alle Menschen gut. Widerstrebend begriff er, dass sie denkende, fühlende Wesen verkörperten, keine tumben Kampfmaschinen.
    Schließlich brach Lantuks Stimme das Schweigen: »Vielleicht nicht unbedingt als Freunde«, sagte er langsam. »Aber wenigstens nicht als Feinde.«
    Ul‘goths Gesicht verriet Erleichterung, als er sich wieder friedlich ans wärmende Feuer setzte.
    Tharador teilte seine Erleichterung. Allerdings glaubte er, einen weiteren Grund für Ul‘goths plötzlichen Gefühlsaubruch zu kennen. Morgen würden sie nach Surdan zurückkehren, und

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