Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Amulett

Das Amulett

Titel: Das Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan R. Bellem
Vom Netzwerk:
Ul‘goth würde sich den übrigen Häuptlingen stellen müssen. Er würde vor sie treten und ihnen seine Taten verkünden. Er würde versuchen, seinen Anspruch auf die Führung aller Orks zu behaupten – wenngleich es angesichts Wurlaghs Rachedurst völlig aussichtslos schien. Aus eben diesem Grund war es für den Ork so wichtig, dass Lantuk ihm nicht mit einem locker in der Scheide sitzenden Schwert folgte.
    Was würde sie in Surdan erwarten? Ihre Reise in die Trauerwälder hatte sie alle verändert. Am offensichtlichsten zeigte sich dies bei Faeron, der ein Maß an Gelassenheit entwickelt hatte, das Tharador nicht für möglich gehalten hätte.
    Surdan , formten Tharadors Lippen den Namen der Stadt. Ständig führte sein Weg ihn dorthin zurück, er fühlte sich dort heimisch. Die Hochebene war ihm vertraut. Unvermittelt fragte sich Tharador, ob das Gefühl von Vertrautheit wirklich mit Heimat gleichzusetzen war. Sein Vater hatte den ganzen Norden unter einer Flagge vereint. Was mochte er als Heimat bezeichnet haben? Wie so oft suchten seine Augen unterbewusst unter all den Sternen des Nachthimmels den einen, der seinem Vater gehören musste.
    Er schob die Gedanken beiseite und besann sich darauf zu schlafen. Sie würden mit Wurlagh und dessen Schergen zusammentreffen, und es stand zu befürchten, dass der hitzköpfige Ork sich nicht allein durch Worte besänftigen lassen würde.
    * * *
    König Baldrokk lauschte geduldig jedem einzelnen der Bericht erstattenden Gebirgsläufer. Seit Xandor vor einiger Zeit aus der Feste verschwunden war, wurden die Gnome von Tag zu Tag unruhiger. Schließlich hatte Baldrokk einigen seiner erfahrensten Krieger befohlen, das Gelände um die Feste Baldrokk auszukundschaften. Nun kehrten die Männer mit höchst beunruhigenden Nachrichten zurück.
    »Mein König«, fügte Skadrim an, »es scheint, dass die Orks und sämtliche Goblins aus den westlichen Todfelsen gen Süden gezogen sind. Und bisher gibt es keine Anzeichen ihrer Rückkehr.«
    »Also sind sie in den Krieg gezogen«, folgerte der König. Baldrokk erhob sich von seinem steinernen Thron und schritt die Reihe seiner Krieger auf und ab. Sein grauer Bart war so lang geworden, dass er ihn zweigeteilt über die Schultern hinter den Rücken gezogen und dort mit seinem Kopfhaar zu einem langen Zopf verflochten hatte. Auf seinem Haupt ruhte die Krone, die einst Grimmon selbst geschmiedet hatte, ein Relikt aus längst vergangenen Tagen wie Baldrokk selbst. Trotz seines hohen Alters bewegte sich der König mit kräftigen Schritten und dachte mit demselben zwergischen Scharfsinn wie vor hunderten Jahren. Im Vergleich zu früher hatte er um die Hüften etwas zugelegt, was jedoch seiner beeindruckenden Statur von fünfeinhalb Fuß keinen Abbruch tat, im Gegenteil. Baldrokks imposante Erscheinung ließ ihn die Gnome umso stärker überragen.
    Allerdings erinnerte sie ihn auch jedes Mal an seinen unrühmlicheren Zweitnamen, Baldrokk, der Verräter. Diesen Namen gaben ihm vor vielen Jahrzehnten seine Zwergenbrüder, nachdem er den Gnomen geholfen hatte, die Verteidigung der Feste Gulmar zu überwinden. Damals hatte er den Zwergenkönig Gulmar erschlagen und sich die Krone Grimmons aufs Haupt gesetzt.
    »Also ein Krieg«, wiederholte er abwesend. »Wäre es am Ende gar möglich, dass die Zeit der Rückkehr unseres Meisters bevorsteht?« Er stellte die Frage in den Raum, doch keiner der Gnome wagte, ihn in seinen Gedanken zu stören.
    »Was, wenn Aurelion endlich erwacht?«, fragte Baldrokk und bekam erneut keine Antwort. »Dann müssen wir uns auf seine Ankunft vorbereiten, nicht wahr?«
    Skadrim nickte zustimmend, als Baldrokk vor ihm zum Stehen kam. »Gut«, fuhr der König fort, »dann lasst uns keine Zeit verlieren.«
    * * *
    Surdan! , dachte Tharador erleichtert, als sie den Aufstieg zur Hochebene bewältigt hatten. Sie würden noch einige Sonnenstunden benötigen, doch zur Mittagszeit hätten sie die Stadttore erreicht. Die Umrisse der Häuser, Kathedralen und Mauern, die sich gegen den Horizont abzeichneten, beruhigten Tharador und erfüllten ihn mit Freude. Alles schien friedlich und unverändert.
    Ul‘goths Schatten legte sich auf sein Gesicht. Plötzlich spürte Tharador den kalten schneidenden Wind.
    »Bist du bereit für deine Rückkehr?«, fragte der Paladin den Ork.
    Eine schluchtengleiche Falte zog sich quer über Ul‘goths Stirn, und er blickte weiter auf die Stadt am Horizont, als er sprach: »Ja.« Dann wandte er den Blick

Weitere Kostenlose Bücher