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Das Anastasia-Syndrom

Titel: Das Anastasia-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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    und der fröhliche Monarch baut ein Heim für seine Soldaten, wo sie leben sollten »wie im College oder Kloster«.
    Margaret schob das Manuskript beiseite, fegte absichtlich ganze Abschnitte vom Schreibtisch auf den Boden. Sie erhob sich rasch, ging ins Schlafzimmer und holte den Sack, den Rob Watkins ihr gegeben hatte, aus dem Kleiderschrank. In der Kü-
    che war das Licht besser. Sie nahm den Sack mit und breitete den Inhalt auf dem Tisch aus.

    Draußen beobachtete Sam Collins mit wachsendem Interesse, wie in der Wohnung von Lady Ardsley nacheinander Licht gemacht wurde. Judith Chase mußte das Arbeitszimmer verlassen haben, ohne auszuknipsen, wollte also wahrscheinlich dorthin zurückkehren. Es war erst 19 Uhr 45.
    Bedeutete die Beleuchtung im Schlafzimmer, daß sie sich hin-legen wollte? Oder zog sie sich vielleicht um, machte es sich bequem? Er beobachtete, wie es in der Küche hell wurde, zog dann den Grundriß der Wohnung zu Rate, den Sloane ihm gegeben hatte. Die Fenster von Arbeitszimmer, Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer gingen sämtlich zur Straße; Wohnungstür und Diele lagen nach hinten.
    Sam konstatierte den rapiden Wetterumschwung. Anfangs war der Abend sternklar mit Halbmond. Jetzt waren dichte Wol-ken aufgezogen, und die feuchte Luft kündigte Regen an. Die wenigen Passanten hasteten dahin, um möglichst noch trocken ans Ziel zu gelangen.
    In der Geborgenheit seines unauffälligen Fahrzeugs behielt Sam die Wohnung von Lady Ardley weiterhin scharf im Auge.
    Das Licht in der Küche und gleich darauf im Schlafzimmer ging aus. Wahrscheinlich hat sie sich nur umgezogen und eine Kanne Tee aufgegossen, dachte er, und wollte sich zurücklehnen. Dann erstarrte er. Der Schatten am Fenster des Arbeitszimmers hatte sich bewegt. Sekundenlang konnte er Judith Chase deutlich sehen. Sie schaute direkt auf seinen Wagen hinunter, trug jetzt eine Art Überwurf.
    Sam zog sich in das dunkle Wageninnere zurück. Sie weiß, daß ich hier sitze, sagte er sich. Sie will ausgehen. Bei seinem ersten Nachtdienst hatte er das Terrain sondiert – auf der Rückseite des Hauses gab es einen Lieferanteneingang und einen schmalen Hof, durch den man in die nächste Straße gelangen konnte.
    Er wartete kurz ab, kam dann zu dem Schluß, daß Judith wohl das Licht im Arbeitszimmer brennen lassen würde. Er stieg aus und sauste über den betonierten Durchgang zwischen den Häusern. Die Hintertür öffnete sich, und Judith kam heraus. Sam trat zurück und spähte um die Seitenmauer. In der Beleuchtung konnte er eben noch erkennen, daß sie ein dunkles Cape trug.
    An dem anonymen Hinweis scheint doch was dran zu sein, dachte er. Vielleicht hat sie tatsächlich etwas mit den Sprengstoffanschlägen zu tun! Was hat sie jetzt vor? Ein Geheimtreffen mit Terroristen? Er sonnte sich in dem Vorgefühl; derjenige zu sein, der den Fall des Londoner Bombenlegers gelöst hatte.
    Kann der Karriere bestimmt nicht schaden, dachte er…

    Margaret eilte durch die wenig belebten Straßen. Der Mann von Scotland Yard war inzwischen bestimmt in seinem Wagen ein-genickt. Unter ihrem Cape trug sie das Päckchen, das sie prä-
    pariert hatte. Es lag ganz harmlos in einer kleinen Einkaufstasche vom nächsten Supermarkt, darüber waren Weintrauben und Äpfel gepackt – das typische Mitbringsel für einen Besuch im Veteranen-Heim. Die Besuchszeit war bald zu Ende. Für sie wurde es knapp.

    Geräuschlos folgte Sam Collins der schlanken Gestalt, die rasch die Stadt in Richtung Themse durchquerte. Als sie fast eine halbe Stunde später in die Royal Hospital Road einbog, stutzte er.
    Was hatte sie vor? Wollte sie einfach nur einen Pensionär besuchen? Hatte sie bemerkt, daß sie beschattet wurde, und den Hinterausgang genommen, um den lästigen Verfolger abzuschütteln? Sie trug ein dunkelgrünes Cape, aber das war in dieser Saison der letzte Schrei, das hatte ihm seine Frau auseinan-dergesetzt und ihrer Tochter eins zum Geburtstag gekauft.
    In dem von einer Kuppel überwölbten Vestibül des prachtvollen Gebäudes herrschte reger Betrieb. Es war 20 Uhr 20, wie ein Blick auf den Schreibtisch im Empfang zeigte. Sam sah, wie Judith direkt dorthin steuerte und eine kleine Tasche mit Obst darauf deponierte.
    Nachdem sie die Besuchserlaubnis erhalten hatte, würde er sich nach dem Namen des Pensionärs erkundigen, zu dem sie wollte, beschloß er. Doch dann riet ihm sein untrüglicher Instinkt, sich hinter ihr am Schreibtisch anzustellen, als vermeintlichen

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