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Das Anastasia-Syndrom

Titel: Das Anastasia-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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    »Ich möchte Sir John Carew einen Besuch abstatten«, sagte Margaret leise, gehetzt.
    Carew! Collins trat vor. »Kann ich Sie kurz sprechen, Madam?«
    Margaret wirbelte herum, ihre Augen funkelten wütend.
    Sie bemerkte, wie der massige Mann, der ihr gefolgt sein mußte, auf ihre Hand starrte. Die Narbe hatte sich flammend purpurrot verfärbt.
    Sie ergriff die Tasche auf dem Schreibtisch und schleuderte sie quer durch die Vorhalle auf drei Gepäckträger, die eben heruntergekommen waren.

    Das Päckchen enthielt eine Bombe, das wußte Sam instinktiv.
    Sekundenschnell durchquerte er den Raum und bückte sich danach…

    Margaret befand sich im Hof, als der Sprengsatz detonierte und das Vestibül in ein Inferno verwandelte – einstürzende Wände, herumfliegende Splitter, schreiende Opfer. Berstende Fensterscheiben. Eine scharfkantige Scherbe streifte ihre Wange, als sie sich im Schutz der Dunkelheit, von Regenschleiern umhüllt, davonstahl.

    Reza Patel und Rebecca saßen vor dem Fernseher, als die Kurznachricht über das Drama im Royal Hospital eingeblendet wurde. Fünf Tote, zwölf Schwerverletzte. Patel, aschgrau im Gesicht, rief bei Judith an. Sie meldete sich sofort. »Ich sitze am Schreibtisch, Doktor. Arbeite wie üblich.« Für Patel klang ihre Stimme munter und normal. Dann lachte Judith. »Ich kann nur hoffen, daß meine Leser auf mein Buch nicht genauso reagieren wie ich heute abend. Ich bin bei der Lektüre buchstäblich eingeschlafen.«
    Ich muß praktisch bewußtlos gewesen sein, dachte Judith, als sie noch eine Seite entdeckte, die sie beim Aufsammeln des Manuskriptes vom Fußboden übersehen hatte. Sie löschte das Licht im Arbeitszimmer, ging ins Schlafzimmer und zog sich rasch aus. Stephen hatte ihr gesagt, daß er sie wegen einer Nachtsit-zung wohl nicht mehr anrufen würde.
    Die Beine taten ihr weh. Man könnte meinen, ich hätte beim Marathonlauf mitgemacht, dachte sie. Vielleicht sollte sie ein Aspirin nehmen. Sie musterte sich kurz im Spiegel, als sie die Arzneipackung aus dem Apothekenschränkchen nahm.
    Ihre neue Frisur war zerzaust. Die etwas ins Gesicht gekämmten Strähnen ringelten sich, und beim Zurückstreichen merkte sie, daß sie ein wenig feucht waren. Das Arbeitszimmer muß überheizt gewesen sein, befand sie. Aber ich schwitze doch nie…
    Sie cremte sich das Gesicht ein und entdeckte verblüfft einen Blutstropfen auf der Wange. Da war ein kleiner Kratzer. Sie erinnerte sich an keinerlei Schmerzempfindung während der Gesichtsmassage, aber die Kosmetikerin hatte lange Fingernä-
    gel…

    Auf dem Weg ins Bett stellte sie irritiert fest, daß die Türen von Lady Ardsleys Kleiderschrank wieder etwas aufgesprungen waren. Ich werde sie festbinden, dachte sie. Wäre es nicht furchtbar peinlich, wenn sie zufällig vorbeikäme und annehmen müßte, ich stöbere in ihren Sachen herum?
    Sie legte sich hin, löschte das Licht und versuchte, sich zu entspannen, doch die Beine taten ihr weh, sie hatte Kopfschmerzen und wurde von einer tiefen Depression erfaßt. Die viele Arbeit, dachte sie, und das ausgefallene abendliche Gespräch mit Stephen. »Stephen und Polly«, flüsterte sie, aber die Namen brachten ihr diesmal keinen Trost. Ihr war verzweifelt zumute, als ob ihr beide entglitten.

    Auf dem Gesicht von Deputy Assistant Commissioner Barnes hatten Zorn und Schmerz tiefe Spuren hinterlassen. Commander Sloane und Inspector Lynch, die Augen rotgerändert vor Mü-
    digkeit, konnten kaum noch aufrecht an Barnes’ Schreibtisch sitzen. Beide hatten die ganze Nacht am Tatort verbracht, doch ohne jedes Ergebnis. Ein Arzt, der den Gang entlangkam, hatte gesehen, wie ein Päckchen durch das Vestibül flog und ein stämmiger Mann hinterher stürzte. Instinktiv war er mit einem Satz in den Korridor zurückgewichen – eine Reaktion, die dem Arzt zweifellos das Leben gerettet hatte. Die anderen Verletzten hatten niemand bemerkt, der ein Päckchen trug. Die drei Ge-päckträger, denen die Bombe vor die Füße gefallen war, die Empfangsdame und Inspector Collins waren tot.
    »Die Frage ist, ob Collins tatsächlich Judith Case auf den Fer-sen war«, sagte Barnes scharf. »Alles deutet darauf hin. Die einzige andere Möglichkeit besteht darin, daß jemand aus ihrer oder einer anderen Wohnung in ihrem Haus kam, der bei Collins Verdacht erregte. Sie haben Miss Chase angerufen, Jack?«
    »Ja, Sir, vor ungefähr einer Stunde. Unter dem reichlich lah-men Vorwand, wir suchten verzweifelt nach jedem

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