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Das Anastasia-Syndrom

Titel: Das Anastasia-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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    Sie riß sich zusammen, murmelte seinen Namen, stützte sich plötzlich auf, als er sagte: »Ich sitze im Wagen, Darling, nur zehn Minuten von dir entfernt. Ich bin unterwegs zu einer Son-dersitzung bei Scotland Yard. Ich muß zwar direkt zurückfahren, aber wie wär’s mit einer Tasse Kaffee für einen Mann, der darauf brennt, dich zu sehen?«
    »Wie schön, Stephen! Natürlich kriegst du deinen Kaffee.«
    Judith legte auf und sprang aus dem Bett. Im Badezimmer-spiegel sah sie, daß sie ganz verquollene Augen hatte. Der kleine Kratzer an der Wange war blutverkrustet. Ein erbärmlicher Anblick, dachte sie. Sie drehte den Hahn für die Brause auf, zog das Nachthemd aus, nahm die Duschhaube und ließ abwech-selnd heißes und eiskaltes Wasser über sich rinnen, um die Schlaftrunkenheit abzuschütteln.
    Sie deckte den Kratzer mit etwas Make-up-Grundierung ab.
    Ein Hauch von Rouge kaschierte die Blässe, die ruinierte Frisur ließ sich durch kräftiges Bürsten halbwegs reparieren. Ein Kaf-tan aus leichter Wolle, lebhaft gemustert mit orangegelben, blauen, violetten und fuchsroten Kringeln auf schwarzem Grund sorgte für Farbe. Sie eilte in die Küche, kochte Kaffee und begann, den kleinen Tisch am Fenster zu decken. Da entdeckte sie etwas auf dem Fußboden und bückte sich danach. Ein Stück Drahtspirale. Wo mochte das herkommen? fragte sie sich und warf es in den Papierkorb. Der Summer der Gegensprechanlage ertönte. »Der Kaffee ist fertig, Sir«, sagte sie. »Beeil dich.«
    Sie öffnete ihm, und dann fielen sie sich in die Arme.
    Bei Kaffee und Marmeladentoast erzählte ihr Stephen von dem schrecklichen Sprengstoffanschlag im Royal Hospital.
    »Ich habe lange gearbeitet und den Fernseher nicht eingeschaltet«, erklärte Judith. »Was für ein krankhaftes Hirn heckt sich eine so bestialische Idee aus, in einem Veteranenheim eine Bombe zu legen, Stephen?«
    »Das wissen wir nicht. Gewöhnlich bekennt sich irgendeine Gruppe zu der Tat. Wenn nichts dergleichen erfolgt, ist es oft reine Glückssache, den Schuldigen zu finden. Die Öffentlichkeit hat mit heller Empörung reagiert. Sogar der Buckingham Palast hat seine tiefe Betroffenheit bekundet und den Angehörigen der Opfer kondoliert.«
    »Wie wird sich das auf die Wahlen auswirken?«
    Stephen schüttelte den Kopf. »Darling, es wäre mir zuwider, für den Rest meines Lebens den Gedanken mit mir herum-schleppen zu müssen, daß ich ins Amt gekommen bin, weil jemand London in die Luft jagt, aber mein festes Beharren auf der Todesstrafe für Terroristen spielt zweifellos bei der Wahl eine Rolle. Labour wird auch jetzt keinen Sinneswandel vollziehen, und dieses Plädoyer für die unbedingte Erhaltung des Lebens findet wenig Gehör bei einer Bevölkerung, die sich die Frage stellen muß, ob ihre Kinder beim nächsten Schulausflug zu einem Denkmal oder bei einer Mandeloperation im Krankenhaus womöglich von einer Sprengladung getroffen werden.«
    Aus den fünf Minuten, die Stephen angeblich bleiben konnte, wurden dreißig.

    Beim Abschied sagte er: »Ich glaube wirklich, Judith, daß ich die Wahl gewinne. In dem Fall werde ich in den Buckingham Palast bestellt und von der Königin ersucht, eine neue Regierung zu bilden. Es wäre unpassend, dich zu dieser Audienz mitzu-nehmen, aber würdest du mit mir hinfahren?«
    »Nichts, was ich lieber täte.«
    »Da wüßte ich eine ganze Menge, aber es wäre ein guter Auf-takt für unser gemeinsames Leben.« Stephen küßte sie noch einmal und wollte gerade die Tür aufmachen, als Judith ihn spontan zurückzog. »Kennst du den uralten Schlager ›Halt mich fest, laß mich nie mehr fort von dir‹?« fragte sie. Es klang fast traurig.
    Eine lange Minute drückte er sie fest an sich, und Judith betete im stillen, daß es so bleiben und nie etwas zwischen sie treten möge.
    Als Stephen weg war, schenkte sie sich noch eine Tasse Kaffee ein und ging wieder ins Bett. Ich habe wahrscheinlich irgendein Virus erwischt, beruhigte sie sich. Deshalb fühle ich mich so elend. Unmöglich, daß ich heute wegfahre. Ich bleibe zu Hause und redigiere das Manuskript zu Ende. In dem Zustand möchte ich Polly nicht kennenlernen.
    Mittags läutete das Telefon. Dr. Patel erkundigte sich, wann sie nach Beverley fahren wolle.
    »Nicht vor morgen«, antwortete Judith. »Ich habe beschlossen, es um einen Tag zu verschieben. Ich glaube, ich habe einen kleinen Infekt, mir tut alles weh. Aber Sie können sich darauf verlassen, ich rufe Sie gleich an,

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