Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
Badezimmer flüchtete, in die Badewanne sprang und sich hinduckte.
Mary war sicher, dass irgendetwas mit ihrem Hund gewaltig nicht stimmte. Sie lief hinter ihm her und rief immer wieder seinen Namen. Als sie ihn in der Badewanne fand, streckte sie die Arme nach ihm aus, um ihm zu helfen und brachte ihn damit dazu, in Panik aus der Wanne herauszustrampeln und sie dabei mit umzureißen. Schließlich fand er Zuflucht in der Gästetoilette. Mary versuchte voll verzweifelter Sorge über das seltsame Verhalten ihres Hundes fast zehn Minuten lang, ihn dort herauszubekommen. Aber seine gesamten neunzig Kilogramm waren in das Räumchen gezwängt und hatten nicht die Absicht, wieder hervorzukommen – selbst nicht für die Leckerchen, mit denen sie ihn herauslocken wollte. Schließlich gab sie auf und setzte sich entmutigt auf ihr Bett. Inzwischen war ihr warm geworden, sodass sie ihren Kapuzenparka auszog und aufs Bett warf. Sie ging aus dem Raum heraus, um sich etwas zu trinken zu holen – und Baron trottete aus der Gästetoilette heraus hinter ihr her.
Überrascht, ihn hinter sich zu hören, drehte sie sich um und sagte ruhig seinen Namen. Baron, jetzt ruhig und sanft, schleckte mit seiner riesigen rosa Zunge durch ihr Gesicht.
Als wir später im Büro darüber sprachen, fiel Mary ein, dass Baron im Frühsommer zu ihr gekommen war und in seiner Welpenzeit nur Menschen kennen gelernt hatte, die mit höchstens einer leichten Jacke bekleidet waren. Noch nie hatte er jemand gesehen, der seinen Kopf in einer Kapuze versteckt hatte oder jemand, der einen Hut trug. Er war ein normaler, freundlicher Welpe, wenn vielleicht auch in Gegenwart von Fremden etwas ruhig. Seine ersten Anbeller galten einem UPS- Mann, der ein großes Paket ablieferte. Mary begann all das zu verstehen, als ich den Raum verließ und einen dicken Kapuzenanorak anzog. Baron fror bei meinem Anblick praktisch auf der Stelle fest, bis ich die Jacke wieder auszog. Man konnte ihn beinahe erleichtert aufseufzen hören.
S ILHOUETTEN
Ich glaube nicht, dass Hunde das Konzept »entfernbarer Teile« genauso verstehen wie wir. Wenn jemand mit einem neuen Hut auf dem Kopf Ihr Haus betritt, nehmen Sie deshalb nicht an, dass er sich in eine Art außerirdisches Wesen verwandelt hat. Aber Hunde tun das, zumindest viele von ihnen. Manche bellen sich die Kehle heiser, wenn ihr geliebter Besitzer mit einem großen Hut auf dem Kopf nach Hause kommt oder machen riesengroße Augen, wenn sie von jemand mit einem Rucksack (oder einer Briefträgertasche voll Post) überrascht werden. Bei näherem Nachdenken fragt man sich, warum Hunde eigentlich verstehen sollten, dass sich unsere Silhouetten zufällig verändern. Wir wissen, dass Hunde Formen eine große Bedeutung beimessen. So mancher Hund hat in meinem Büro schon die Silhouette einer auf die Wand gemalten schwarzen Katze angebellt. Noch mehr Hunde werden beim Anblick des lebensgroßen Gemäldes von Bo Peep's (meiner ersten Pyrenäenberghündin) Gesicht wahnsinnig. Zwei dunkle Kreise (ihre Augen) in einem hundeförmigen weißen Oval reichen aus, um eine Bellorgie zu starten, die Tote aufwecken könnte. Hunde bellen meistens dann, wenn Sie es am wenigsten erwarten. Sie schauen auf, weiß der Teufel warum, und wir sitzen alle gemütlich herum, bis ein BARR RARR RARR RARR erdbebengleich die Wände erzittern und unsere Teetassen wackeln lässt. Es ist nur ein Bild, aber ein Bild derjenigen Dinge, die »Hund« für einen Hund bedeuten.
Was sollen also Hunde denken, wenn sie uns mit riesigen, runden, bedrohlichen Augen (Sonnenbrille) sehen oder seltsamen, drohenden Auswüchsen auf unserem Kopf (Hüte) und offensichtlich gefährlichen Wucherungen, die aus unseren Händen und Hüften (Spazierstock, Taschen) sprießen? So intelligent Hunde auch sein mögen, es gibt keinen Grund dafür, dass Hunde verstehen sollten, warum unsere Silhouetten (das so wichtige visuelle Signal, mit dem sie erkennen, wer oder was sich da nähert) veränderlich anstatt gleichbleibend sind. Scheue Hunde lassen sich ganz besonders von Hüten, weiten Mänteln und Taschen abschrecken. Falls Sie einen Hund haben, der Angst vor den seltsamen Erscheinungsformen von Menschen hat, helfen Sie ihm, indem Sie zuhause ein paar Wochen lang einen Hut tragen. Gewöhnen Sie ihn daran, dass Sie hin und wieder mit einem Rucksack nach Hause kommen oder mit was auch immer sonst ihn beunruhigt. Die meisten Hunde lernen mit der Zeit, unsere insektenähnliche Fähigkeit zur
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