Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
frage ich mich, ob wir nicht die Extreme sowohl von Schimpansen als auch von Bonobos vereinen: Wir sind schnell aggressiv, wenn wir bedroht werden, aber besessen von Sex.)
Genau wie Schimpansen haben Bonobos einen starken Sinn für soziale Hierarchie, aber bei den Bonobos besteht die primäre Hierarchie aus Weibchen, nicht aus Männchen. Diese Beachtung von sozialem Rang ist nicht auf Primaten beschränkt. 5 Sie lässt sich bei einer großen Zahl von Spezies beobachten, innerhalb derer die Möglichkeit interner Konflikte um Ressourcen besteht. Bei Wespen, Hyänen, sogar meiner kleinen Schafherde gibt es ein klares Leittier und eine soziale Hierarchie. 6 Meine Harriet ist ein altes, weises Schaf, das mitten aus dem Film Ein Schweinchen namens Babe stammen könnte. Sie trifft alle Entscheidungen, wann und wohin sich die Herde bewegt. Auch Kühe haben eine Rangordnung, wie so mancher frischgebackene Milchbauer lernen musste, wenn er versuchte, die Kühe in der »falschen« Reihenfolge in die Scheune zu treiben. Die Kühe selbst entscheiden, wer zuerst geht. Ein kluger Bauer weiß, wie wichtig die sozialen Abmachungen unter seinen Kühen sind und lässt sie fein in Ruhe. Schafe und Kühe achten so sehr darauf, wer wer ist, dass Hütehunde innerhalb von Sekunden das Leittier aus der Herde finden können, selbst wenn sie diese Schafherde vielleicht noch nie vorher gesehen haben. Wenn ein erfahrener Border Collie einen großen Kreis läuft, um hinter die Schafe zu kommen, dreht er alle paar Sekunden den Kopf, um die Herde anzuschauen. Border Collie Führer (mich eingeschlossen) nehmen an, dass ihre Hunde nach der Reaktion der Schafe auf ihre Bewegung Ausschau halten, um herauszufinden, welches das Leittier ist. Genau das ist nämlich das Tier, auf dass sich der Hund konzentrieren muss, wenn er die Herde zu treiben beginnt, denn dieses Tier hat die Macht zu entscheiden, wann und wohin sich bewegt wird.
Manche Hunde konzentrieren sich so intensiv auf das Leittier, dass sie mitten durch den Rest der Herde hindurchlaufen. Meine acht Jahre alte Border Collie Hündin Lassie vergisst sich gelegentlich immer noch und lässt die Schafe zur Seite davonspringen, wenn sie mit der Genauigkeit eines Lasers auf das Leitschaf zusteuert. Weil das Ergebnis ist, dass sie mir nur ein Schaf anstelle von dreißig bringt, muss ich sie daran erinnern, dass ich alle Schafe brauche. Sie bleibt dann stehen, sieht sich um, tut etwas das aussieht wie ein zweiter Anlauf auf die Schafe hinter ihr und wendet sich dann wieder dem Leittier zu. Ich weiß nicht, was in ihrem Kopf vorgeht, aber es muss so etwas sein wie »Jaja, ich weiß, aber das hier ist das wichtige!« »Das wichtige« ist ein Konzept, dass auch wir Menschen intuitiv verstehen, weil wir uns, ob bewusst oder unbewusst, über die Bedeutung von sozialem Status im Klaren sind.
M AN IST, WAS MAN ISST
In letzter Zeit gab es in der Welt der Hundeerziehung einige Verwirrung über die Rolle, die Status und Rangordnung im Hundeverhalten spielen. Manche argumentieren, wolfsähnliche Rudelhierarchien hätten keine Relevanz für Hunde, weil unsere Haushunde möglicherweise von streunenden Dorfhunden abstammten, die nicht wie Wölfe in Rudeln lebten. Die Vorstellung, dass Hunde früher wie Ratten oder Tauben von den Abfällen der Menschen lebten, mag zwar nicht sehr romantisch sein, ist aber ein sehr gutes Argument und verdient Aufmerksamkeit. 7 Diese Dorfhunde oder »Pariahunde« lassen sich beinahe auf der ganzen Welt in den Außenbezirken menschlicher Siedlungen finden. Sie sind kleiner als Wölfe, haben weniger Scheu vor neuen Dingen als Wölfe und, was für unsere Betrachtungen hier besonders wichtig ist, sie leben nicht notwendigerweise in straffen Rudelstrukturen wie Wölfe. Die begrenzte Zahl von Beobachtungen, die uns über solche Dorfhunde vorliegen, zeigt, dass sie entweder alleine oder in kleinen, lose organisierten Gruppen leben. Wölfe jagen vorrangig große Beutetiere wie Elche und Hirsche und sind auf den Rudelzusammenhalt angewiesen, um ihre Jagd als Gruppe zu organisieren und um ständige Kämpfe um die Beute zu vermeiden. Jeder einzelne Wolf hat seinen sozialen Status in Relation zu allen anderen.
Weil die sozialen Beziehungen streunender Dorfhunde sich von den sozialen Strukturen eines Wolfsrudels zu unterscheiden scheinen, argumentieren manche Hundetrainer, dass sozialer Status und Rangordnung für unsere eigenen Haushunde irrelevant seien. Dies scheint aber in Anbetracht
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