Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
dessen, was wir über das Verhalten unserer eigenen Hunde wissen, kontraintuitiv zu sein und ist von fehlendem Verständnis dafür gekennzeichnet, wie Verhalten und die Umwelt interagieren. Obwohl Wissenschaftler bemerkenswert wenig zur Sozialstruktur von Haushunden geforscht haben, 8 wissen wir viel über die Bildung von Sozialstrukturen bei wilden Tieren und verwenden diese Erkenntnisse, um uns über unsere Beziehung zu unseren Hunden zu informieren.
Wie viele von Natur aus soziale Arten zeigen Caniden eine sehr große Flexibilität darin, wie sie ihren Umgang miteinander strukturieren. Die Kojoten in Wyoming zum Beispiel leben im Winter, wenn sie sich hauptsächlich von Elchkadavern ernähren, in Rudeln. Wenn zu anderen Jahreszeiten kein hochwertiges Futter in bequem erreichbarer Nähe ist, zerstreuen die Kojoten sich, leben alleine und ernähren sich von kleinen Säugetieren, Eidechsen und Beeren. Das Zusammenleben bietet ihnen keinen Vorteil, wenn das Nahrungsangebot mager und weit verstreut ist. Ähnliche Änderungen in der Sozialstruktur kommen bei vielen Arten vor, auch bei Primaten, wenn sich das Nahrungsangebot ändert. Viele Arten, die man als »fakultativ soziale Arten« bezeichnet, zerstreuen sich, wenn das Futterangebot dünn ist, kehren aber zum Leben in der Gruppe zurück, sobald es das Nahrungsangebot erlaubt. Das gleichmäßige Vorhandensein eher minderwertigen Futters (wie Eidechsen und Beeren für Kojoten oder Abfälle für Dorfhunde) führt gewöhnlich zu einer relativ lockeren Sozialstruktur. Es macht keinen Sinn, als Gruppe auf einer Müllhalde nach Abfall zu suchen oder um abgenagte Knochen und leere Suppendosen zu kämpfen, wenn solches Futter über die ganze Gegend verstreut ist. Wenn aber die gleichen Individuen diese Art von Nahrungsressource verlassen und in einer Umgebung zu leben beginnen, in der Futter von hochwertiger Qualität, aber weniger gleichmäßig verteilt vorhanden ist, werden sie als Gruppe erfolgreicher sein, und die Gruppe benötigt irgendeinen sozialen Mechanismus, damit ernsthafte Konflikte um die Beute verhindert werden.
Diese wechselhafte Art der sozialen Ordnung kann erklären, warum Haushunde sich benehmen, als ob eine Rangordnung für sie wichtig wäre, auch wenn sie von streunenden, halbwilden Dorfhunden abstammen, die nicht so viel Wert darauf legen, sich an gesellschaftliche Normen zu halten. Streunende, von Resten und Abfällen lebende Hunde leben in einer ähnlichen ökologischen Nische wie die Kojoten im Sommer. Aber nehmen sie diese gleichen Hunde und stecken sie in eine Lebenssituation in der Gruppe mit besonders schmackhaftem und nur an einer zentralen Stelle zugänglichen Futter, und alles wird sich ändern. Ich habe mehrere »gerettete« Straßenhunde aus Nordafrika und Mittelamerika kennen gelernt: Nachdem sie es sich in den klimatisierten Wohnungen ihrer Besitzer wohl sein ließen und organisches Hundefutter auf Basis von Lamm und Hühnchen fraßen, verhielten sie sich nicht mehr wie Tiere, die nicht in der Lage sind, eine Rangordnung zu verstehen. Im Gegensatz zu Hunden, die keine Alternative zum Suchen nach Abfällen und Fressen menschlicher Ausscheidungen haben, sitzen unsere eigenen Haushunde auf einer echten Goldmine von Ressourcen, von Gourmetnahrung bis hin zur allabendlichen Massage. Wenn das nichts ist, worum es sich zu kämpfen lohnt, dann weiß ich es auch nicht.
Eine gute Hypothese ist, dass sozialer Status für Hunde zwar hoch relevant, aber weit weniger bedeutsam ist als für Wölfe. Hunde sind eher wie junge Wölfe, nicht wie erwachsene Wölfe, und junge Wölfe sind weniger an sozialen Hierarchien interessiert als erwachsene. Erik Zimens Wolfsstudie (in Wolves of the World) zeigte, dass »Rangunterschiede am deutlichsten unter den hochrangigeren Wölfen zu erkennen sind, weniger deutlich bei den niedrigerrangigen und jungen Wölfen und nicht existent bei den Welpen.« Auch wenn die Angelegenheit natürlich beim Menschen sehr viel komplizierter ist, trifft vieles davon doch auch auf unsere eigene Spezies zu. Sehr kleine Kinder sind überhaupt nicht statusbewusst: Wir alle müssen mit dem Großwerden lernen, dass manche Menschen gleicher sind als andere.
Ich nehme an, dass selbst innerhalb der Kategorie amerikanischer Haushunde, wenn man endlich einmal gute, exakte wissenschaftliche Untersuchungen zu ihrem Sozialsystem durchführen würde, Unterschiede in der Bedeutung von Status zutage treten würden, und zwar je nachdem, wie die Hunde
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