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Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)

Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)

Titel: Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia B. McConnell
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leben. Ich sehe sehr viel mehr statusbezogene Verhaltensprobleme bei im Haus lebenden Hunden als bei Hunden in Zwinger- oder Hofhaltung. Wir müssen also vorsichtig sein, wenn wir vom Sozialverhalten von »Hunden« sprechen, denn der gleiche Hund kann sich je nach seinen Umgebungsbedingungen unterschiedlich verhalten.
    D IE W AHRHEIT ÜBER D OMINANZ
    Es ist besonders wichtig, zu verstehen, was sozialer Status ist, weil ein falsches Verständnis von »Dominanz« zu erschreckend missbräuchlichem Verhalten unsererseits geführt hat. So viel altmodische »Erziehung« oder »Ablichtung« könnte man zusammenfassen als »Tu es, weil ich es dir gesagt habe, und wenn du es nicht tust, tue ich dir weh.« Man schien anzunehmen, dass Hunde tun sollten, was wir sagen, weil wir es ihnen befohlen haben: Schließlich sind wir Menschen und sie Hunde, und sicherlich haben Menschen einen höheren Status als Hunde. Wenn ein Hund nicht gehorchte, hatte er den Sozialstatus seines Besitzers in Frage gestellt und musste mit Gewalt diszipliniert und an seinen Platz verwiesen werden. Leider funktioniert diese Einstellung, nach der wir mit körperlicher Gewalt Dominanz über unsere Hunde erlangen müssen, auch in manchen Fällen, besonders bei ziemlich dickfelligen und ewig gut gelaunten Hunden, wie sie in manchen Jagdhunderassen vorkommen. Diese Hunde wurden auf Ausdauer und »Niemals aufgeben« gezüchtet und akzeptieren häufig derbe Korrekturen und »Dominanzgesten« mit Gleichmut. Aber diese Vorgehensweise terrorisiert viele Hunde und produziert Hunde, die Angst vor ihren Besitzern bekommen oder plötzlich Verteidigungsaggression zeigen, weil sie empfinden, dass sie die ganze Zeit über angegriffen werden.
    Vor Jahren hatte ich einmal zwei Kundinnen, die berichteten, dass ihre Hündin, ein Cattle Dog Mischling, ungehorsam und sehr dominant sei. Als ich fragte, warum sie ihrer Meinung nach dominant sei, sagten sie »Weil sie gar nicht auf den Alphawurf reagiert«. Ich bat sie, mir das vorzuführen, damit ich den Hund beobachten konnte. Eine der beiden Frauen, eine scheinbar freundliche und liebevolle Person, packte die Hündin am Nacken, schleuderte sie in die Luft und warf sie dann auf den Rücken. Nach Anweisung ihres Hundetrainers stellte sie sich dann über ihren atemlosen Hund und knurrte ihm ins Gesicht. Das alles geschah so schnell, dass ich gar nicht mehr eingreifen konnte. Ich kann nur ahnen, was der arme kleine Hund dachte. Ich war selbst fassungslos, und ich war nicht aufs Kreuz gelegt worden. Glücklicherweise waren die beiden Besitzerinnen froh darüber, den »Alphawurf« (oder besser »Alphaniederschmetterer«) aus ihrem Repertoire streichen zu können. Sie hatten ihn sowieso gehasst, sich aber verpflichtet gefühlt, den Anweisungen ihres Trainers zu folgen. Der glücklose Cattle Dog ist nur einer von den vielen Millionen Hunden, die unter dem Deckmantel der Erziehung weltweit Jahr für Jahr körperlich misshandelt werden. Viele Menschen setzen »Dominanz« mit »Aggression« gleich und sind sehr schnell dabei, mit Aggression durchzusetzen, was sie erreichen wollen. Die Ironie an der Sache ist, das Dominanz als soziales Instrument gedacht ist, um Aggression abzubauen, nicht, um sie zu fördern.
    Ein hierarchisch geordnetes Gesellschaftssystem ermöglicht es seinen Mitgliedern, Konflikte ohne Kampf zu lösen. Jedes Individuum, das wirklich einen hohen sozialen Status hat, hat genug Autorität, dass er oder sie keine Gewalt einzusetzen braucht. Man könnte sogar argumentieren, dass Gewalt das Fehlen wirklicher Macht widerspiegelt, denn wer wirklich sehr mächtig ist, braucht keine Gewalt.
    Ich könnte Ihnen »Sitz und Bleib« in Ihrem Stuhl befehlen, und wenn ich im sozialen Status genügend weit über Ihnen stünde, würden alleine meine Worte ausreichen, damit Sie gehorchen. Wenn ich nicht so viel statusbezogene Macht hätte, müsste ich Sie mit einem Gewehr bedrohen oder, viel schlimmer noch, meine vier Hunde eine Woche lang zu Ihnen nach Hause schicken. Mit anderen Worten könnte ich Sie zum Gehorsam bringen, wenn ich einen Weg finden würde, ausreichend Druck auf Sie auszuüben, aber das hätte ich nur dann nötig, wenn ich von vorneherein zu wenig Macht hätte.
    »Status«, »Dominanz« und »Aggression« sind vollkommen verschiedene Dinge, und es bringt unseren Hunden nichts Gutes, wenn wir sie verwechseln. Status ist ein Rang oder eine Position innerhalb einer Gesellschaft, während Dominanz eine Beziehung zwischen

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