Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
Sie trat vor und ergriff die Hand ihres Bruders.
»Passt gut auf euch auf. Ich schicke euch Sebastian und Gottbert nach, wenn wir die Tiere untergebracht und alles wieder verstaut haben.«
»Jeanne und ich können das übernehmen«, mischte sich Gret ein. Georg legte ihr kurz die Hand auf die Schulter und schenkte ihr einen warmen Blick. »Ja, tut das. Und passt mir gut auf Elisabeth auf. Sie neigt zu unüberlegten Handlungen!«
Gret grinste. »Ja, das kann man so sagen. Aber ich werde jeden Augenblick über sie wachen!«
Die Männer eilten mit Friedrich Schoder davon, während die Frauen Pferde und Maultiere in den Stall führten. Sie hatten die Riemen und Sättel noch nicht verstaut, als im Osten die große Steinbüchse zu sprechen begann. Für einen Moment blieben die drei Frauen stehen und sahen auf die Rauchwolke, die über der Mauer aufstieg. Der Kanonendonner schien sich unter der ganzen Stadt auszubreiten. Der Boden erzitterte.
Zwei rasch ausgesandte Boten kehrten in die Stadt zurück und meldeten Schoder und dem Hauptmann der Stadt, dass das Heer, wie erwartet, über Frickenhausen anrücken würde. Die Dorfbewohner flohen in die Wälder. Vielleicht hatten die Männer des Bischofs Beobachter ausgesandt und wussten bereits, dass der alte Berg und die Warte gut besetzt waren. Womit sie aber vermutlich nicht rechneten, war die große Steinbüchse, die am Goldäcker jenseits des Mains in Position gebracht worden war. Der Büchsenmeister feuerte. Dunkle Rauchschwaden stiegen von der Aue her auf und breiteten sich zu beiden Seiten des Stroms aus. Der Geruch von Schwefel und verbranntem Pulver legte sich über die Stadt. Der Zug geriet ins Stocken. Die Beobachter auf der Stadtmauer und den Türmen sahen, wie die Linien in Unordnung gerieten. Sie wichen vor der Gewalt des Geschosses zurück.
»Sie ziehen ab!«, jubelte ein junger Bursche von kaum vierzehn
Jahren, der zwischen Georg und Meister Thomas an der Brustwehr stand.
Der Apotheker wiegte den Kopf. »Ich fürchte, es ist noch zu früh, ein Freudenfest zu beginnen. Sie haben gemerkt, dass sie auf diesem Weg zu viele Verluste erleiden könnten. Nun werden sie einen anderen suchen, um an die Stadt heranzukommen. Ich kenne mich nicht so gut aus, als dass ich sagen könnte, welchen sie wählen, allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass sie nicht schon nach einem Versuch unverrichteter Dinge wieder abziehen werden.«
Georg nickte zustimmend. »Wenn ich der Hauptmann wäre, dann würde ich versuchen, den alten Berg oder die Steinwarte in die Hände zu bekommen.« Georg war früher oft in Ochsenfurt gewesen und kannte sich daher in der Umgebung leidlich gut aus.
»Unsere Männer halten den Berg und die Warte besetzt. Da ist für die Bischöflichen nichts zu machen«, meinte ihr junger Begleiter voller Zuversicht.
Leider täuschte er sich.
Die Truppen des Bischofs wichen nach Norden zurück und teilten sich dann auf. Hofmeister Georg von Bebenburg übernahm die eine Hälfte. Er führte seine Männer in einem weiten Bogen um die Stadt herum und griff dann die Verteidiger an, die sich auf dem Galgenberg im Süden vor Ochsenfurt verschanzt hatten. Friedlein führte die andere Hälfte der Steinwarte entgegen. Obwohl die Ochsenfurter tapfer kämpften, blieb ihnen in beiden Fällen nichts anderes übrig, als vor der Übermacht den Berg hinunter in die Stadt zurückzuweichen. Friedrich Schoder ließ die Männer sammeln und brachte sie in der Aue am Fluss wieder in Stellung. Voller Zuversicht zogen sie dem Haufen entgegen, der vom Galgenberg auf sie einstürmte. Sie schlugen sich gut, bis Friedlein seinen Trupp von der Warte herab über den Main führte und den Ochsenfurtern mit seiner Reiterei in die Seite fiel. Er traf zuerst auf
die Würzburger Schützen, die sich verbissen wehrten und dennoch zusehen mussten, wie einer nach dem anderen von ihnen fiel. Zwei Stunden tobte das Gefecht, ehe Friedrich Schoder den Rückzug befahl, doch nicht allen gelang es, sich in die Stadt zu flüchten. Von den Mauern herab mussten sie ohnmächtig zusehen, wie die Truppen des Bischofs den Männern den Weg abschnitten und sie gefangen nahmen. Als die Angreifer sich gegen Abend mit ihren Gefangenen über den Main zurückzogen, war die Aue von Toten und Verletzten übersät. Schweigend zogen die Ochsenfurter zum Tor hinaus, um ihre Kämpfer in die Stadt zu bringen und zu sehen, ob dem ein oder anderen noch geholfen werden konnte.
Man legte die Männer vorerst auf dem Marktplatz
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