Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
eine ganze Menge Fußvolk.«
Der Bischof stemmte sich wieder hoch. »Das ist zu wenig! Viel zu wenig.«
»Es soll ein schnell geführter Überraschungsangriff werden«, erinnerte der Narr. »Die Würzburger zählten ganze dreihundert, wenn man den Berichten Glauben schenken kann.«
»Ja, und das Tor war ihnen offen, was du wüsstest, wenn du recht zugehört hättest«, gab der Bischof unwirsch zurück. »Und versuche mir nun nicht weiszumachen, dass das ein unwichtiger Umstand war.«
»So etwas würde ich ganz sicher nicht tun, es sei denn, ich wäre daran interessiert, eine neue Stelle als schwachsinniger Spaßmacher ohne Geist und Verstand anzutreten. Wobei ich mich manches Mal frage, ob dies nicht für Leib und Seele gesünder wäre.«
»Hör mit dem Unsinn auf, oder ich sorge dafür, dass du dich sehr bald schon zu den schwachsinnigen Geistern zählen kannst!« Der Bischof hob drohend seine Faust, was angesichts seines Alters und seines körperlichen Zustands eine fast lächerliche Geste war. Aber sowohl der Bischof als auch sein Narr wussten, dass diese Faust nur ein Symbol für seine ausführenden Getreuen war, die er noch immer oder wieder an der Hand hatte. Und damit kehrten sie zum ursprünglichen Thema zurück.
»Zu wenige!«, schimpfte der Bischof.
»Wollt Ihr warten, bis Ihr mehr Männer zusammenhabt? Oder doch erst angreifen, wenn das gesamte Heer beisammen ist?«, fragte der Narr.
Bischof von Brunn überlegte, dann schüttelte er den Kopf.
»Nein, es ist zu spät. Dann vergeben wir uns die Möglichkeit der Überraschung. Wir können den Hilfstruppen aus Volkach nicht mehr rechtzeitig Nachricht geben. Wenn wir sie erst auf dem Marsch einholen und warten lassen, sickert es auf alle Fälle bis Ochsenfurt durch, und sie werden dort auf
der Hut sein. Eine Schwachstelle genügt! Sind wir erst einmal in der Stadt, ist die Sache gewonnen, und wir werden ihnen zeigen, was wir davon halten, dass sie einfach unsere Geiseln freilassen und sich von diesem von Masbach gängeln lassen.«
Friedlein nickte. »Gut, dann brechen wir jetzt auf.«
Der Bischof reckte sich. »Ja, es wird Zeit. Gehen wir!«
Der Narr starrte ihn erstaunt an. »Ihr wollt doch nicht etwa mitreiten? Exzellenz, der Weg, den wir mit den Reitern nehmen, erlaubt es nicht, eine Kutsche mit uns zu führen. Da hättet Ihr Euch dem Tross mit den Kanonenwagen anschließen müssen.«
»Hältst du mich für so alt und gebrechlich, dass du mir keinen Kriegszug zu Pferd mehr zutraust?«
Friedlein schwieg. Seine Meinung zu dieser Frage wollte er offensichtlich nicht kundtun, und er scheute sich auch vor der Lüge, was ein wenig seltsam war. War das nicht sein Geschäft?
Nein, das Geschäft des Narren war es, seinem Herrn stets die Wahrheit zu sagen, ihm aber auch die Möglichkeit zu geben, über das Unangenehme zu lachen, bis er die Unausweichlichkeit des Übels ertragen und akzeptieren konnte, dachte Friedlein.
Der Bischof starrte ihn an, entschied dann aber, dass es Wichtigeres gab, als sich mit seinem Narren auseinanderzusetzen. »Also gut. Wenn du meinst. Mach, dass du fortkommst. Ich werde prüfen, ob ich nicht doch noch das ein oder andere Eisen im Feuer habe, falls euch die Überraschung misslingt.«
Friedlein salutierte, was allerdings eher komisch als respektvoll wirkte, und hinkte davon. Sobald man ihm in den Sattel geholfen hatte, machte er allerdings eine durchaus gute Figur. Der Narr wurde neben dem Bebenburger zum Hauptmann, gab ein paar Befehle und ritt dann mit Ritter Georg von Bebenburg voran durch das Tor. Die Männer im Hof und
der Hauptteil der Truppe, der die Nacht vor der Burg gelagert hatte, folgten ihm in geordneten Reihen.
Es verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch die Stadt. Ein Ochsenfurter Bürger, der mit seinem Pferd von Kitzingen her auf dem Heimweg in die Stadt gewesen war, hatte sie gesehen und erkannt, was da auf seine Heimat zumarschierte. Glücklicherweise hatte ihn keiner entdeckt, denn sonst wären ihm die besten Reiter nachgeschickt worden. So aber gelang es ihm, sich unbemerkt zurückzuziehen und dann im gestreckten Galopp nach Hause zu eilen, wo er und sein Ross zitternd vor Erschöpfung auf dem Marktplatz eintrafen. Der Mann rutschte aus dem Sattel, und man musste ihm erst einmal einen Becher Wein geben, ehe er hervorstieß, dass ein Haufen von Reitern und Fußvolk rechts des Mains von Norden heranziehe.
»Der Bischof?«
Natürlich! Wer sonst hätte ein Ansinnen, gegen Ochsenfurt
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