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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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auf rasch herbeigeschaffte Strohsäcke – zumindest die Lebenden; den Toten machte es nichts mehr aus, auf den kalten Pflastersteinen zu liegen. Frauen eilten herbei, um nach ihren Lieben zu sehen, brachten Wasser und Leinen, um Wunden auszuwaschen und zu verbinden. Auch Elisabeth, Gret und Jeanne kamen herbei, um ihre Hilfe anzubieten.
    Was für entsetzliche Wunden! Da hatten Pfeile und Armbrustbolzen Arme und Beine durchschlagen oder Augen zerfetzt. Da waren Spieße in Leiber eingedrungen, hatten Schwerter Ohren und Nasen abgetrennt, aber auch ganze Gliedmaßen, aus deren Stümpfen das Blut in Strömen schoss. Elisabeth schlug die Hände vors Gesicht. Wie sollte sie hier helfen können? Was musste man in solchen Fällen tun? Wie sollte es ihr überhaupt möglich sein, sich angesichts dieses Entsetzens zu rühren?
    Ein Mann zu ihren Füßen, mit einer klaffenden Wunde in der Brust, wand sich und schrie wie ein wildes Tier. Er rollte mit den Augen und warf sich dann auf die Seite, dass sich sein blutiger Körper in ihrem Rock verfing. Elisabeth sprang entsetzt zurück. Das Schreien brach ab, wurde zu einem leisen Gurgeln. Der Körper zuckte noch einmal, dann war es
zu Ende. Der Blutstrom versiegte. Geschockt starrte Elisabeth auf den Toten zu ihren Füßen. Wieder einmal war es Gret, die einen klaren Kopf behielt.
    »Komm mit! Diesem hier kann keiner mehr helfen. Aber dem dort drüben muss man schnellstens seine Wunden verbinden, damit er nicht noch mehr Blut verliert. Entferne nur den gröbsten Schmutz. Alles andere kann man später machen.«
    Jeanne war bereits eifrig dabei, Leinentücher in Streifen zu schneiden. Gret drückte Elisabeth einige Verbände in die Hand.
    »Los! Du musst es so fest schnüren, dass der Blutfluss stoppt. Beeile dich! Wenn du fertig bist, sage ich dir, wer als Nächstes versorgt werden muss.«
    Sie selbst kniete sich neben einen Würzburger Schützen, aus dessen Beinwunde hellrotes Blut in pulsierenden Stößen schoss. Wie ruhig sie blieb, obwohl der Mann wie irre schrie und sich an ihr festklammerte. Energisch und geschickt ging sie zu Werke. Dann rief sie den Bader zu einem Mann, der offensichtlich ebenfalls schnelle Hilfe nötig hatte, sah sich um und strebte auf den nächsten Verwundeten zu.
    Elisabeth riss sich zusammen und eilte zu dem Verletzten, auf den Gret gezeigt hatte. Es war ein junger Handwerksgeselle aus Ochsenfurt, der nun auf dem Boden kauerte, wimmernd den Oberkörper vor- und zurückwiegte und mit der Linken den Rest der rechten Hand umklammerte, den ein Schwertstreich ihm noch gelassen hatte. Mit sanfter Gewalt zog Elisabeth die verletzte Hand zu sich heran. Die Finger fehlten völlig und auch ein Teil der Handfläche. Wie Gret gesagt hatte, wusch sie die Ränder der Wunde kurz aus und wickelte dann die Leinenstreifen straff über den Stumpf. Dann wandte sie sich dem nächsten Verwundeten zu. Nach drei oder vier hörte sie auf zu zählen. Sie achtete nicht mehr darauf, was ihr Magen zum Anblick des vielen Blutes sagte. Die
Schreie ließen sie nicht mehr zusammenzucken. Sie hörte nur noch auf Grets Anweisungen und achtete auf ihre Hände, damit sie mit ruhiger Sicherheit das taten, was von ihnen verlangt wurde.
    Irgendwann, als sie aufsah, stand Meister Thomas neben ihr. Unversehrt! Tränen der Erleichterung schossen ihr in die Augen, und sie vergaß sich für einen Augenblick so sehr, dass sie ihn umarmte. Gottbert stand hinter ihm. Offensichtlich ebenfalls unverletzt.
    »Der Jungfrau im Himmel sei gedankt! Wo sind Georg und Sebastian? Geht es ihnen gut?«
    Meister Thomas legte seine Arme kurz um ihren Rücken und löste sich dann behutsam aus ihrem Griff. »Ja, Ihr könnt ganz beruhigt sein, Elisabeth. Sie sind beide gesund und wohlauf.«
    Elisabeth sah an seinem Wams und den Beinkleidern herab, die mit frischem Blut beschmiert waren. Erst jetzt fiel ihr auf, wie sie selbst aussah.
    »Oh nein, das tut mir leid. Jetzt habe ich Euch mit Blut beschmutzt.« Sie sah auf ihre Hände herab und ahnte, dass selbst ihr Gesicht nicht besser aussah. »Was müsst Ihr von mir denken, mich in solch einer Verfassung zu sehen?«
    Meister Thomas legte ihr die Hand auf die schmutzige Wange. »Dass Ihr eine bemerkenswert tapfere und umsichtige Frau seid.«
    Elisabeth fühlte, wie sie errötete. »Danke, das habt Ihr sehr nett gesagt, doch eigentlich gebührt Gret das Lob. Sie ist hier unser Fels im aufgewühlten Strom und den beiden Badern eine unentbehrliche Stütze.«
    »Mag sein.

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