Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
Dennoch müsst Ihr Euer verdientes Lob nicht kleinreden.« Er trat noch ein Stückchen näher. Seine Hand lag noch immer an ihrer Wange. Die Wärme, die so viel Zärtlichkeit verströmte, ließ Elisabeth erbeben. Und auch in seiner Stimme schwang mehr als nur Freundschaft.
»Ich bewundere Euch, wie Ihr kühl die Nerven bewahrt und das tut, was notwendig ist, auch wenn Ihr das noch niemals vorher habt tun müssen und es ganz sicher nicht zu Eurem gewohnten Leben gehört.«
Elisabeth erhob ihre Hand, um die seine abzustreifen, verharrte aber in der Bewegung und presste sie fast beschwörend noch fester an ihre Wange. Falls sie etwas hatte sagen wollen, so lösten sich die Worte nun in nichts auf. Der Platz um sie verlor seine Konturen. Blut und Leid versanken gnädig in dem aufsteigenden Nebel, der sie umgab. Seine Lippen näherten sich den ihren und berührten sie flüchtig. Der Apotheker Meister Thomas hatte offensichtlich vergessen, wer sie waren und wo sie sich befanden! Ihre Blicke tauchten ineinander und klammerten sich aneinander fest. Für einen Augenblick war Elisabeth versucht, dem Drängen in ihr nachzugeben und sich an seine Brust zu lehnen. Ja, sollte er sie in seine Arme nehmen, herzen und küssen, bis ihr Geist die quälenden Bilder gnädig vergaß.
Vielleicht zögerte sie zu lange. Unvermittelt nahm Meister Thomas seine Hand zu sich und trat einen Schritt zurück. Ihre Blicke lösten sich ein wenig verlegen voneinander und schweiften unstet über den Platz. Nun, da die meisten Verletzten beider Seiten versorgt waren und die Familien ihre Angehörigen nach und nach wegbrachten, um sie in ihren Bürgerhäusern oder Dachkammern weiter zu versorgen, kehrte Ruhe auf dem Platz ein. Nur noch die blutigen Strohsäcke und Reste von Leinentüchern sprachen von der Tragödie, die der Platz heute gesehen hatte.
Die Ochsenfurter Gefallenen wurden feierlich in der Kirche aufgebahrt. Erstaunlicherweise hatte es nur drei Bürger der Stadt getroffen. Sechzehn waren den Männern des Bischofs in die Hände gefallen und als Geiseln fortgeführt worden. Dagegen hatten die Würzburger Schützen hohe Verluste zu beklagen. Sie wickelten ihre Kameraden in Leinentücher
und brachten sie in die Spitalkapelle, wo sie sie niederlegten, bis sie sie nach Würzburg zurückbringen und begraben lassen konnten.
Meister Thomas räusperte sich und bot ihr den Arm. »Lasst uns ins Gasthaus zurückkehren. Hier gibt es für uns nichts mehr zu tun.«
Schweigend hakte sich Elisabeth bei ihm unter. Gret und Jeanne schlossen sich ihnen an.
Es war lange schon dunkel, als sie das Gasthaus erreichten, wo sich Elisabeth aus den blutigen Kleidern befreite und sich von Jeanne beim Waschen helfen ließ. Die Badestube beim Spital war heute den erfolgreichen Kämpfern vorbehalten. Als alle sich gesäubert und ein frisches Gewand angelegt hatten, trafen sie sich bei einem einfachen Mahl in der Gaststube. Viel Auswahl hatte der Wirt nach diesem aufregenden Tag nicht zu bieten, doch der kräftige Eintopf aus Gemüse und Speck mit einigen Kanten Brot reichte, um satt zu werden. Der Wein tat sein Übriges, um die flatternden Nerven zu beruhigen.
»Weiß man schon, wie viele Männer der Bischof verloren hat?«, fragte Meister Thomas, der nach der Schlacht den beiden Badern und Barbieren zur Hand gegangen war und sie, soweit es seine Vorräte hergaben, mit schmerzstillenden Mitteln und Kräutern versorgt hatte, die Wundbrand verhindern sollten.
»Wie ich von Domherrn Schoder erfahren habe, spricht man von zwei Dutzend Junkern und mehr als sechzig gefallenen Reitern. Die Zahl der Verwundeten ist um ein Vielfaches höher. Die meisten haben sie mitgenommen. Nur ein paar von ihnen haben die Ochsenfurter noch vom Schlachtfeld geholt. Übrigens ist auch ihr Hauptmann Georg von Bebenburg nicht ungeschoren davongekommen. Man hat ihn durch die Achseln geschossen. Sie haben ihn und auch die Ritter von Stetten, von Bibra und von Herbilstat schwer verwundet mitgenommen. Vermutlich wird keiner der Junker überleben.«
Nachdenklich kaute Elisabeth auf ihrem Kanten Brot. Drei der Männer hatte sie gekannt; Georg von Bebenburg bereits seit ihrer Kindheit. Er war auf dem Marienberg ein und aus gegangen und hatte freundschaftlichen Kontakt zum Haus des Bischofs gepflegt. Auch an Konz von Stetten hatte sie freundliche Erinnerungen. Einst hatte er sie seine Fuchsstute im Hof reiten lassen. Neben Wilhelm von Bibra hatte sie einige Male zu Tisch gesessen und seinen
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