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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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kraftvollen Beine vom Lederhandschuh des
Falkners abstießen, um sich in die Lüfte zu erheben. Albrecht streckte den Arm aus und gab dem Habicht einen auffordernden Schubs. Sofort flog er auf, schoss davon und begann sich dann ein Stück weiter vorn über einer Gruppe von Ebereschen in den blauen Himmel zu schrauben. Allerdings nicht zu hoch. Im Gegensatz zu den Falken war der Habicht ein Greif, der die Beute aus dem niederen Flug zu jagen beliebte.
    »Ist es nicht ein majestätischer Anblick?«, schwärmte Elisabeth, die den Vogel nicht aus den Augen ließ.
    »Ja! Er ist ein guter Jäger. Ich habe ihn auf Fasane abgerichtet, und ab und zu jagen wir auch Tauben. Aber er ist so mutig und beherzt, dass er es auch mit einem Hasen aufnimmt!«
    Das war für einen Terzel, der gut ein Drittel kleiner war als die weiblichen Habichte, schon etwas Besonderes. Elisabeth sah verstohlen zu Albrecht hinüber. Er saß aufrecht auf seinem Pferd, mit stolz gereckter Brust, den Kopf hoch erhoben, und er strahlte offen und frei. Die Last, die seine Schultern gebeugt hatte, schien er unter dem Tor der Marienfestung abgestreift zu haben. Im warmen Schein der Herbstsonne war sein Gesicht nicht mehr so grau, auch wenn die Falten, die sich in nur wenigen Monaten eingegraben haben mussten, nicht so leicht wieder verschwinden würden. Nun war er wieder ihr Albrecht, der junge Ritter von Wertheim, dessen Antlitz sie in Gedanken Tag und Nacht bei sich getragen hatte. Ihr Retter und Beschützer.
    Der Habicht scheuchte einen Fasan auf. Der kluge Vogel versuchte sofort ins Unterholz zu fliehen, doch der pfeilschnelle Jäger hatte ihn erspäht und setzte zum Sturzflug an. Albrecht und Elisabeth trieben ihre Pferde an, um die Vögel nicht aus den Augen zu verlieren. Sonst konnte es eine mühsame Suche werden, wenn der Habicht erst einmal seine Beute geschlagen hatte und nahezu reglos mit ausgebreiteten Flügeln am Boden über ihr saß. Wenn man Glück hatte, verriet
ein sachtes Klingeln der Glocke an seinem Bein sein Versteck.
    Der Habicht stieß in einem Gebüsch nieder. Elisabeth wandte ihren Wallach nach rechts und sprang über den Stamm einer umgestürzten Buche hinweg.
    »Da, hinter dem Weißdornbusch ist er niedergegangen!« Sie ritt um den Busch herum und zügelte dann das Ross. Albrecht kam neben ihr zum Halten. Er sprang aus dem Sattel und reichte Elisabeth die Zügel seines Hengstes. Sie würde seine Hilfe brauchen, um wieder in den Sattel zu kommen. Und obwohl Albrecht sie, seit sie ein Mädchen gewesen war, sicher hunderte Male aufs Pferd gehoben hatte, scheute sie sich, ihm jetzt so nahe zu kommen. So blieb Elisabeth mit den Zügelpaaren in der Hand sitzen. Ihr Wallach legte die Ohren an und senkte ein wenig den Kopf. Der Hengst dagegen reckte den Hals und schnaubte stolz. Albrecht blieb neben dem Pferd stehen, sah sich aufmerksam um und lauschte.
    »Hast du gesehen? Die langen Gräser dort drüben haben sich bewegt.« Elisabeth deutete nach vorn. Bedächtig schritt Albrecht auf die Stelle zu.
    »Du hast ein gutes Auge.« Er nahm ein Stück Fleisch aus seiner Jagdtasche, bückte sich und bot dem Vogel die Atzung an. Er hielt den Leckerbissen so, dass der Habicht ihn gut sehen und riechen konnte, nicht aber so nah, dass er, ohne sich zu bewegen, danach schnappen konnte. Nun musste sich der Greif entscheiden. Das Stück in Albrechts Hand war viel kleiner als die Beute in seinen Fängen, die er geschlagen hatte. Andererseits war der Fasan zu groß, um ihn auf einen Baum hinaufzutragen und dort in Ruhe zu verspeisen. Jede Minute, die er auf dem Boden verbrachte, bedeutete jedoch Gefahr für den Terzel.
    Wie üblich entschied sich der Vogel für die kleine, aber sichere Beute. Er gab das geschlagene Wild frei und würgte seine Belohnung herunter. Albrecht nahm ihn wieder auf seinen
Handschuh. Er lobte den Greif, während er den Riemen an seinen Beinen befestigte. Den Fasan hängte er an den Sattel.
    »Das war doch ein vielversprechender Anfang. Gret soll uns den Fasan heute zubereiten, was meinst du?« Er setzte den Vogel auf dem ledernen Wulst vorn am Sattel ab und schwang sich dann selbst auf sein Pferd. Langsam ritten sie Seite an Seite weiter. Sie genossen die warme Luft, den Geruch nach Sommerwiese und Wald und den Gesang der Waldvögel, der sofort verstummte, als Albrecht den Greif noch einmal fliegen ließ. Dieses Mal hatte er es auf die Waldtauben abgesehen, die in der Baumgruppe meist anzutreffen waren. Und tatsächlich gelang es

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